Interview mit Mike Hentz, 22.02.2019
Mike Hentz ist Mitgründer von Minus Delta t, Ponton und Van Gogh TV und lebt heute als freier Künstler in Berlin.
Interviewer: Perfekt. Also gut, ich fange mal an mit einer sehr umfassenden, weitgehenden Frage, das ist so ein bisschen der Rahmen für das ganze Gespräch. Und ich denke mal, wir werden zum Schluss nochmal drauf zurückkommen, also aber es ist ganz gut, um sich erstmal in so ein Thema so einzugrooven, dass man mal so den Rahmen ein bisschen klar macht. Und zwar, mit Minus Delta T wart ihr ja so als Aktions- und Performancekünstler bekannt und diese Performance hatten ja oft auch sehr physische, körperliche Aspekte bis hin so zu Rempeleien und Leute festnehmen und so weiter und sofort. Piazza virtuale im Gegensatz war ein totales Medienprojekt. Wo gibt es da eigentlich, gibt es da so Zusammenhang, kann man das so beschreiben warum, wie man vom einen zum anderen gekommen ist und was das eine mit dem anderen zu tun hat?
Mike Hentz: Also, ich glaube schon, dass… also, es ging immer wieder um Plattformen die vorhanden sind, ich meine jetzt kulturelle Plattformen wo man sich ausdrückt, wo macht man ein Konzert, wo macht man eine Performance und so weiter. Und wir waren mit den ganzen Strukturen eigentlich sehr unzufrieden. Und haben deswegen immer wieder Konflikte gehabt, weil wir versucht haben an existierenden Strukturen die Gesetze haben, die unausgesprochen aber abgesteckt sind, sozusagen die Grenzen zu finden. Und klar, das war einerseits Provokation, aber andererseits wollten wir auch in andere Bereiche rein. Und ich denke die klare Verbindung zwischen Minus Delta T bis hin zu Piazza virtuale ist, dass wir Expanded Plattformen für Performance schon das Interesse waren jetzt. Ob das Performance für uns oder andere Leute war, das hat bei den interaktiven Sachen die wir gemacht haben, die Provokationen waren ja auch sozusagen, um die Leute zu provozieren, dass sie teilnehmen am Ritual oder am Geschehen oder in der Performance war es relativ logisch, dass man von der, ich drücke meine persönliche Zahnpasta aus, mein Ausdruck bis hin wir drücken gemeinsam die Zahnpasta aus, was schon ein Interesse von uns, dass die Leute teilnehmen. Also, es ging um Rituale, es ging um persönliche Authentizität und Heiligkeit, und nicht unbedingt, das war dann eher eine Begleiterscheinung, um Comedy oder Künstliches oder Theater, dann schon Performance als Authentiziätsbegriff. Und ob das jetzt dann über unsere Erfahrung von Radio oder Performance ist dann von einem Interview bis zum Informationsfluss, bis zum Austausch, bis zum gemeinsamen Gebet sage ich mal, Ritual oder Synchronisierung war unterschiedlich dann. Aber das war schon, der Motor war in irgendeiner Form eine authentische Lebens-Life-Art, so haben wir ja auch angefangen zu übertragen auf andere Medien wo wir mit vielen anderen Performancekünstlern natürlich in Konflikt kamen, weil die immer erwartet haben, das Fernsehen soll uns dokumentieren und dann sind wir wichtig. Die sollen einen Film über uns machen, dann sind wir wichtig. Die Presse soll uns überschreiben, dann sind wir wichtig. Wir haben dem nicht getraut, wir haben schon sehr früh, also was ja auch in den 90er Jahren der Fall war, die eigenen Produktionsmittel eben selber in die Hand zu nehmen, was ein Teil von diesem New Wave, Indie, Independent Produktionen von Filmen bis Musik eigentlich die Tendenz war dann, weg von der Zensur der Mainstream-Medien selber herstellen, selber vertreiben. Das war der Unterschied zu anderen Performance-Leuten die sich immer wieder auf diesen Kulturbetrieb verlassen haben. Auch bei Minus Delta T, also 1982 war ja das Bedürfnis ein Festival in Bangkok zu machen aus dem heraus, dass wir nicht zufrieden waren mit den Situationen die wir vorgefunden haben hier. Also, sozusagen die eigenen Plattformen bilden, schaffen, entwickeln, was anderes zu machen und wenn es ganz wo anderes war.
Interviewer: Okay. Du hast gerade gesagt, Life-Art und Einbeziehung von möglichst vielen Menschen, das ist ja auch ein Charakteristikum von allem was ihr gemacht habt, dass es immer Gruppen waren und dass diese Gruppen zum Teil auch ganz schön groß geworden sind, wie im Hotel Pompino oder bei Piazza virtuale. Das klassische Bild vom Künstler ist ja eigentlich, dass das so ein großer Eigener ist der im Atelier oder vor der Leinwand die Inspirationen aus sich selbst schöpft, wo kam dieser Wille zur Kollektivität her oder was war so der Vorteil den ihr da drin gesehen habt?
Mike Hentz: Also, der Wille zur Kollektivität ist allgemein, wenn der Teenager sich im Narzissmus selbst erkennt, dann kommt die homosexuelle Phase wo er sich im Gleichen spiegelt. Also, sozusagen alle die gleiche Frisur, die gleiche Musik, die gleiche Mode und dann erst kommt das andere, die Frau, das Fruchtbare, das Netzwerk und so weiter. Das ist jetzt eigentlich ein Klassiker, wobei ich dies noch weiterentwickele. Ich denke, dass man als Künstler natürlich die Technik erschaffen muss erstmal und eine gewisse technische Reproduzierbarkeit, das fängt an mit dem Portrait oder dem Journalismus, wo man die Darstellung einer Realität mit drei, vier blauen Pinselstrichen kann ich dich skizzieren und man erkennt dich. Das ist eine Handfertigkeit oder das Handwerk. Und nach dieser Handwerksschule kommt dann die symbolische Denkschule, was die ganze Modern Art Today ist. Also, sozusagen Assoziationen von verschiedenen Philosophien symbolisch in einen Kontext gebracht und dann gibt das einen anderen Denkanstoß. Und das Dritte ist dann sozusagen die lebendigen Prototypen diese ergänzt stattfinden. Und im Kunstmarkt damals auch in den 70er Jahren waren wir konfrontiert nur mit Stilkünstlern. Ich habe mich mit meinen Galeristen immer zerstritten, weil die immer sagten: „Hör auf mit dem Gruppenscheiß, das ist Therapie. Mach alleine, du bist viel besser.“ Die hatten auch die ganzen Gruppen, die sich gebildet haben, zu spalten. Dem einen haben sie Geld gegeben, dem anderen nicht. So ist dann diese wilden Maler Anfang der 80er sind alle gesprengt worden indem der eine Geld gekriegt hat, der andere nicht und dann waren die Gruppen fertig. Und wir haben das immer nicht individualisieren lassen, sondern die mussten immer mit einer Gruppe verhandeln, wobei wir immer wieder den Jüngsten nach vorne genommen habe, um Verhandlungen zu machen, dass er das lernt auch. Und dass dieses ernst nehmen und nicht nur irgendwie ernst nehmen, sondern auch die Jungen und haben sehr früh auch diesen Netzwerkgedanken gehabt. Also, der Netzwerkgedanke ist ja dann… war ja überhaupt nicht im Kunstbegriff drin, sondern man sagt, das ist Vertrieb oder zum Beispiel das Infermental Video Magazin ist auch wichtig zu erwähnen, weil das eigentlich die erste Netzwerksammlung von dessen was weltweit geschah in den 80er Jahren von Technik, von Tendenzen, von Mainstream und so weiter, dargestellt war. Natürlich war das jetzt nicht ein Schwerpunkt von uns, aber ich habe das immer gleichwertig bedient. Netzwerk sowie Gruppe sowie individuelle Arbeit. Es gab dann natürlich Zeiten wo dann die Gruppe viel wichtiger war und dann auch so Slogans ausgegeben haben, vergiss deine individuelle Kunst und jetzt mach doch mal da in der Gruppe und dein scheiß Kunstzeug da, steck das mal in Hut. Also, da gab es starke Tendenzen die sich aber auch über diesen Konflikt ergeben hatten den wir hatten, wenn wir dann Künstler bei uns teilgenommen hatten, und alle anderen als Techniker für in Anführungszeichen Auftritt bis hin zu Piazza virtuale gab es dann Künstler aus Kanada oder aus Russland oder… die dann performt haben und die ganze Interaktion komplett ignoriert haben, den Dialog komplett ignoriert haben, und nur im Kopf hatten wie sitzt meine Frisur, wie sitze ich da, wie kommt mein Kunstwerk da rüber. Die hatten davon überhaupt nichts verstanden. Und vielfach wurde auch, was wir an TV relativ früh gemacht hatten, also auch von Van Gogh TV die Anfänge wurde dann immer gesagt, das ist schlechte Videokunst, also von den Herzogenraths den wichtigen Theoretikern wurde das ja alles runtergemacht, das wäre ja schlechte Medienkunst und Videokunst und keine Medienkunst, den Begriff gab es nicht in dem Sinne, und der Begriff Netzwerk war auch noch nicht da. Es gab dann Leute wie… den solltet ihr auch mal interviewen, der lebt noch, der Eisleben, der als Erster diese Dialogkunst in Anführungszeichen parallel zu uns oder neben uns schon immer gepflegt hatte und aber eigentlich auch belächelt wurde so, was ist denn das für eine Sozialtherapie. Vielfach wurde ja, was in der Musik klar war, dass man zusammenspielt, dass wir in einer Tonart spielt wie in der bildenden Kunst oder in dem Videobereich war also dieser Begriff des Genies, Einzelkünstlers war ja so eingebrannt, dass man dann sagte: „Ja, du hast es ja nötig in der Gruppe zu arbeiten, du kannst dich ja nicht selber hinstellen.“ Und dann musste man immer so ein bisschen die Muckies spielen lassen und zeigen, dass man das auch kann, aber man nicht interessiert ist.
Interviewer: Aber jetzt nochmal auf den Punkt gebracht, warum ist das denn besser oder was war für euch der Vorteil in solchen Gruppen zu arbeiten visa vie der große Einzelkünstler, das große Einzelgenie?
Mike Hentz: Es ist einfach ein Durchlauferhitzer. Also, ich habe heute noch Situationen wo ich mit Studenten arbeite und sage okay, wir benutzen uns jetzt gegenseitig als Pol. Wir sind zehn Leute. Dann nehmen wir ein Thema. Hatten wir ja auch bei uns, wir nannten das Rashomon. Rashomon von diesem Film von Kurosawa, der Mord wird viermal vollkommen unterschiedlich gesehen. Wir haben Streit. Ich will das so machen, ich will das so machen, ich will das so machen. Okay. Ich stelle mich Karel zur Verfügung, wir machen seine Version. Dann stellt sich Karel mir zur Verfügung, wir machen seine Version. So mache ich heute noch Workshops. So hat man innerhalb von zwei, drei Stunden mit fünf, sechs Leuten hat man fünf, sechs Variationen wo man sieht was das Beste ist oder was man zusammensetzen kann. Das heißt, der Forschungsaspekt oder diese Research von was oder von Form, von Inhalt wie kommt das besser an und so weiter, kann man ja teilweise gar nicht sich ausdenken, sondern man muss es ausprobieren. Und das funktioniert in einer Gruppe ziemlich gut, wenn man diese Einstellung hat eben horizontal zu arbeiten, eben nicht vertikal nur und ich bin jetzt der Leader und ich entscheide das kommt ein, das kommt nicht rein, sondern dass man das auch umschichtet zwischendurch und sagt okay: „Dann entscheide du mal, dann sehen wir mal.“ Was wir dann rausgegeben haben öffentlich oder was wir öffentlich vertreten haben, das haben wir dann immer dann abgesprochen auch. Aber in der Entwicklung, in der Forschung ist diese ganze Brainstorming Geschichte, dieses praktische Brainstorming, dieses praktische Laboratorium war immer eines der Hauptgründe das zu machen.
Interviewer: Stichwort Brainstorming da kommt wahrscheinlich die nächste Frage, die auch ich jetzt als erster Stelle, ist das jetzt noch Kunst im traditionellen Sinne oder ist das vielleicht eine besonders clevere Managementstrategie, um aus allem das Maximum an Kreativität herauszuholen?
Mike Hentz: Naja, also uns hat ja der Satz „Jeder Mensch ist ein Künstler“ nicht unbedingt interessiert. Wir waren ja Feine von Beuys, weil wir die Generation danach waren und wir fanden es nicht genug, was diese Leute machen. Und ich würde nicht sagen clevere Managementstrategie. Natürlich wollten wir das Meiste rausholen. Natürlich haben wir einen Anspruch gehabt immer zu viel vorgenommen zu dem was wir überhaupt schaffen konnten. Sind dann auch dementsprechend vor Erschöpfung teilweise zusammengebrochen, hatten mehr Energie als andere Leute. Konnten dann zwei, drei Nächte ohne Drogen und Aufputschmittel durchhalten und arbeiten, und andere Leute sind zusammengebrochen und wir dachten die sind faul, ne. Das waren aber die Gene die uns in irgendeiner Form dann diese… oder die Manie die wir hatten, diese Sachen realisieren zu wollen und den Druck, den Stolz auch wir wollen es schaffen. Also, im Gegensatz zu der Kultur, wir sind Versager, ach wie schön. Oder wie toll auch mal versagen zu können, nein, wir wollten schaffen, wir wollten beweisen. Uns hat man immer gesagt: „Das ist scheiße was ihr macht, das ist nicht gut. Das ist nicht professionell.“ Also, diese ganzen Dilettanten Kritisierung: „Ihr seid nicht professionell in dem was ihr tut.“ Natürlich bin ich dann, Nächte lang habe ich mich hingesetzt und Video schneiden gelernt. Und habe das dann auch gekonnt. Habe nie einen Kurs gemacht, aber ich konnte es dann, ne? Und da konnte mir kein Alternativ-Techniker von diesen Videogruppen in den 70er Jahren die links waren und sagten: „Kunst ist scheiße“, konnte mir dann sagen: „Hey, das ist ja scheiße was ihr an Kunst macht, du kannst ja nicht mal die Technik“, ne. Also, man war immer konfrontiert mit dieser Kritik, ich sage nicht Dilettanten Kritik, aber ihr seid ja nicht professionell und ihr wisst ja nicht was für Inhalte sind. Das heißt, wenn man andere Inhalte vertreten hat war man sofort in der Schusslinie. Und da haben wir uns eben diese kratzbürstige und provokative und aber auch technische Knowhow angeeignet, dass wir das konnten, ne.
Interviewer: Jetzt ist der Name Beuys gefallen, soweit wollte ich eigentlich gar nicht zurück oder in dieser Art von Dis… (unv.) so ihn erwähnt haben, was war genau das Problem mit Herrn Beuys, diese Parole „Jeder Mensch sei ein Künstler“ wurde ja eigentlich erstmals große Befreiung und als Entgrenzung auch der Kunst betrachtet, warum war man da dagegen erstmal, vom Generationskonflikt abgesehen?
Mike Hentz: Also, ich habe ja das mit der Kunstakademie Düsseldorf relativ nahe verfolgt, Karel hat ja auch studiert damals in Düsseldorf und zwar bei Rinke, da ist er ja aus der Klasse geflogen, weil er in der Klasse gewohnt hat (lacht). Ich habe gar nicht da studiert, ich hatte nur eine… war gut befreundet mit Irmel Kamp der Bildhauerin, die später Rektorin geworden ist, habe das also mitverfolgt. Das war sozusagen der Schluss der Beuys Phase, wo dann einfach die ganzen Linken über diesen Begriff sozusagen an die Hochschule gekommen sind ohne über Kunst zu reden. Und das war für mich ein Problem. Ich fand den künstlerischen Aspekt und den kreativen Aspekt ja wichtig, und nicht, wir haben es ja gesehen, jeder Mensch ist ein Künstler was Demokratie mit sich bringt. Big Brother war dann das schwere Erschrecken der Demokratie bei allen Leuten, bei uns auch. Also, die drei Wochen Hallo waren für mich auch ein Erschrecken, obwohl dann wieder eine Skulptur für sich, ne? Aber man hatte ja schon einen Anspruch an Kultur. Also, in… also was ich ja interessant finde, in Österreich ist ja Jet Set immer noch Hundertwasser gewesen damals, und in Deutschland war halt Jet Set halt Beckenbauer. Und das war dann schon ein Unterschied. In Italien konnten die Leute, die Bauern konnten ja sogar Verdi singen beim Essen, Abendessen und so weiter. Egal wie die gebildet waren, das war schon etwas was uns interessiert hat und nicht was wir heute in diesen Soap Operas haben, dass ist warum mich Fernsehen überhaupt nicht mehr interessiert, obwohl ich in dem Jahr 2000 noch die ersten Reality Shows in Lettland und Litauen mit aufgebaut habe, in Russland und in Polen beraten habe. Also, ein bisschen um noch zu gucken habe ich das Händchen noch, mit eigenen Formaten noch. Es hieß dann Barbarossa TV. Aber das ist dann alles von diesen Mainstream Konzepten übernommen worden und das hat mich überhaupt nicht mehr interessiert. Also, ich finde das… der ursprüngliche Gedanken Schulfernsehen auch weiterzuentwickeln, was eigentlich Piazza virtuale auch war, war eine Art von Schulfernsehen für die Leute, das hat sich in den Medien heute komplett verloren.
Interviewer: Schulfernsehen, also darauf kommen wir gleich nochmal zurück, wenn wir konkret über die Sendung reden.
Mike Hentz: Ja.
Interviewer: Gut. Werden wir jetzt einfach mal konkret. Solche Ansätze können wir noch vertiefen dann im Gespräch. Aber jetzt beamen wir uns mal so zurück in die Zeit als ihr… also, es hat dann dieses Bangkok Projekt gegeben und dann stand irgendwie die Rückkehr nach Europa offensichtlich an. Wolltet ihr das eigentlich, also ganz konkret, wie seid ihr da in Hamburg gelandet, wo ihr dann auch gewisse institutionelle Unterstützung erfahren habt?
Mike Hentz: Also, es ist wichtig zu erwähnen, dass die Gruppe Frigo, wo ich auch Mitglied bin, wo auch Gérard Couty der Gründer war, sozusagen auch die Zentrale von mir und von Minus Delta T lange war. Wir hatten eine Art von Büro in Frankfurt mit Walter Baumann, der gestorben ist, der aus dem Kulturbereich kommt und Elke Kies die das Boulevard Magazin gemacht haben auf der Reise. Wir hatten einen Kontakteur Wolfgang Hoffmann der jetzt Georgsdorf heißt, der zur Stadt Werkstatt Linz gehörte die dann später auch Fernsehen Stadt Werkstatt TV und so weiter gemacht haben. Also, alles ein bisschen in unserer Schule mit aufgewachsen. Und dann war die Überlegung diese Idee des LKWs als mobiles Studios, als mobile Werkstatt, als mobiles Laboratorium nach Europa zu versetzen. Und da war natürlich die Idee mit diesem Medienbus sozusagen dann 1987. Wir hatten den das erste Mal, glaube ich, 1986 in Einsatz, sozusagen das mobile Studio. Also, auch der Prozess der Arbeit der transparent wird in der Öffentlichkeit, sozusagen das offene Atelier war halt ein Gedanke mit verschiedenen Outputs. Weil diese Geschichte mit Radio und mit Fernsehen hatten wir ja in Frankreich sehr viel gelernt, das war ja, 1980 hatten wir ja da schon ein Radio, Radio Bellevue wo ich Sendungen gemacht habe, wo ich die künstlerische Leitung unter anderem vom Radio auch teilweise gemacht habe, meine Sendung gemacht, Netzwerk Sendungen gemacht habe. Das war ja wie, Infermental fing ja auch 1980 an. Wir haben Europe Copyright gemacht, wo wir Sounds aus der ganzen Welt gesammelt haben und dann über das Radio rausgegeben hast. Die Idee, diese Mittel die wir in Frankreich schon hatten sozusagen umzusetzen auf eine deutsche oder österreichische Situation, wo es noch keine Sender gab. Also, 1991 war ja auch diese ganze Politik mit der Stadt Werkstatt die ja ein Medienspektakel gemacht hatte, wir senden. Und an der Ars Electronica war das ORF natürlich beteiligt, ORF heißt natürlich nationales Fernsehen und es ging… die haben dann ohne uns irgendwie zu fragen denen dann ans Bein gepinkelt. Und deswegen hatte uns damals das ORF auch 3Sat gegeben, weil es rechtlich außerhalb von Österreich war, nämlich in Deutschland und von Deutschland aus gesendet wurde. Das heißt, wir konnten die Sendung in Linz machen und rechtlich war so, dass die gesagt haben, das läuft über Deutschland, wird dann mit einer Funkstrecke nach Deutschland und von dort hochgebeamt, und kommt so nicht in das österreichische Rechtssystem rein.
Interviewer: Da geht es jetzt um Piazza virtuale oder (unv. Stimmenüberlappung)…
Mike Hentz: Nein, nein, das war Hotel Pompino. Also, ich rede jetzt von diesen Bedürfnissen zu senden. Osnabrück hatten wir ja dann 1988 schwarz gesendet mit einem Sender den wir aus Holland genommen hatten, Documenta 1987 haben wir ja auch schwarz gesendet erst. Sind dann als Radio-Skulptur deklariert worden. Da kamen natürlich die ganzen Politradios an: „Wir wollen jetzt auch Kunstsender sein“, haben wir gesagt: „Nein“ (lacht). Und dann Osnabrück eben auch Piratenfernsehen Van Gogh TV, da ist ja der Name erfunden worden auch und so. Also, an verschiedenen Orten jetzt auch als Piratensender in Anführungszeichen agiert und dann legalisiert. Also, uns ging es jetzt nicht um das Gegen, sondern uns ging es um dafür, uns ging es um die Subjektivität. Also, die Medien waren ja damals objektiv sozusagen, journalistisch objektiv und wir waren künstlerisch subjektiv, und haben auf diesen Standpunkt bestanden und den versucht auch zu veröffentlichen. Und University TV, was ja dann auch schon 1990, 1991 kam, ging es da um die Produktionsbedingungen die überall schon vorhanden waren mit VHS-Studios und so weiter, als sendefähig zu sehen, wenn sie live gesendet werden. Weil sie dann nicht X-mal geschnitten werden mussten, sondern in einem Live-Kontext reicht die Qualität und muss nicht ein Zoll und so weiter. Es gab ja diese Zensur von der Qualität, beim Fernsehen hat man gesagt, es geht auch ohne. Und es waren diese Erfahrungen in Frankreich und in Italien die wir hatten die wir versuchten aus dem deutschen Markt oder in Österreich irgendwie zu etablieren, und dementsprechend auch Pionierarbeit gemacht haben, wo es um das Senden ging. Jetzt nicht so sehr um das Politische, sondern wie gesagt, um das subjektiv-künstlerische was wir immer vertreten hatten. Und deswegen haben wir auch diese Radio St. Pauli oder Radio Dreiecksland aus Freiburg die Linksradikalen, die permanent erwischt worden sind bei ihrer Senderei, die dann mit der Regierung und dann auf dem Feld einen Sender aufgestellt und dann waren die im Knast. Und die kamen dann an und wollten von uns Kunstradio, sind wir auch. Haben wir gesagt: „Nein“. Es geht uns um Kunst, uns geht es jetzt nicht um ja, um das. Das war sozusagen eine andere Plattform, die anderen… Medium das öffentliche Atelier, das private, Transparenz eines künstlerischen Prozesses oder eines Arbeitsprozesses nicht immer das fertige nicht transparente Produkt. Das Atelier ist ja dann immer die ganze Arbeit. Und bei der Vernissage, da trocknet dann eben nur noch der Le Verni, und das war es dann irgendwie. Und im Sinne von Life-Art war uns ja immer auch der Prozess wichtig da.
Interviewer: Gut. Also, die Frage war eigentlich, wie seid ihr nach Hamburg gekommen. Also, das war jetzt so die Vorgeschichte, es gibt da diverse (Vorstellungen?), warum war jetzt die Idee das in Hamburg, obwohl es da vorher gar kein Bezug dazu gab, jetzt als Standpunkt auszuwählen?
Mike Hentz: Also, Hamburg, Karel war schon nach Hamburg gezogen, wir hatten eine Zentrale in der Nähe von Frankfurt, Erlensee. Das war eine alte Mühle, die habe ich dann behalten bis 2000. Karel war schon in Hamburg und hat dann mit Benjamin (de Lowen?) Society, also beim Schäfers Kamp hatten sie einen Keller gemietet, wo sie die Schnittmaschinen reingestellt haben. Und wir waren 1998 Wodka Pravda TV, das war also vor Hotel Pompino und das war Wodka Pravda TV auch als Elektroniker haben wir die Sachen in Hamburg geschnitten. Und dann bin ich da automatisch zum Schneiden immer hingekommen. Habe dann zwei Monate lang geschnitten, den ganzen August, September bis wir dann zu Ars Electronica sind. Und habe dann im Oktober in Hamburg diesen Job gekriegt. Das kam dann relativ zufällig, vom Karel Vogel eine Professur gekriegt. Also, da waren wir dann schon zu Dritt. Ich hatte einen Job, habe erst mit Karel da gelebt. Und habe dann an der Reeperbahn eine Wohnung genommen und dann auch in der Hochschule gelebt. Und dann haben wir relativ schnell die Koppel gemietet 1989, Ende 1989. Und haben dann auch relativ, also auch mit Denker sehr früh Kontakt gehabt, wo wir dann gesagt haben okay, Standort Hamburg, gibt es irgendeine Unterstützung, gab es nicht wirklich am Anfang. Auch von der Hochschule nicht, aber wir haben alle Plattformen benutzt. Und dann ist ja auch Kutty und Rotraut aus Frankreich wiedergekommen, sind mit ihrem Equipment auch nach Hamburg. Und so gab es dann Kombinationen. Ich habe dann 1989 das erste University TV Van Gogh TV Symposium in der Hochschule gemacht. 1989 direkt Oktober war ich da, Oktober habe ich das erste Symposium gemacht, wo ich dann alle eingeladen hatte die beteiligt waren. Die sind dann auch alle gekommen aus Frankreich, Christoph Dreher ist gekommen, Indulis Bilzens, diese ganzen Leute sind alle gekommen zu dem Symposium. Der Knut Schäfer aus Offenbach, Rotraut, Kutty und Salvatore und Karel, da haben wir uns alle getroffen so. Das war das erste, 1989 direkt erste Van Gogh TV Symposium in Hamburg. Und dann hat sich das als Zentrale irgendwie bestätigt dann halt. Es ist halt geblieben und gehalten bis 1993, 1994 wie wir uns dann getrennt haben, also vertraglich auch getrennt haben in der Paranoia Konkurrenz zu werden und so weiter. Also, die Abrechnung von Piazza virtuale, da habe ich am Schluss noch mitgearbeitet bei Sachen wo es dann um Soundforschung ging. Und dann habe ich gesagt: „Nein, das geht nicht mehr.“
Interviewer: Da kommen wir gleich nochmal drauf zu sprechen.
Mike Hentz: Ja.
Interviewer: Aber um nochmal auf die Situation in Hamburg zurückzukommen. Also, wir haben ja auch mit dem Denker ein Interview gemacht und der hat das so dargestellt, und es klang auch plausibel, dass das schon so eine konstatierte Aktion vielleicht nicht war, aber dass das ein Wille war in Hamburg eben auch diesen Medienstandort dadurch zu stärken, dass man solche unabhängigen Mediengruppen wie zum Beispiel Van Gogh TV in einer Form unterstützt oder einbezieht.
Mike Hentz: Ja.
Interviewer: Du sagst jetzt, das war gar nicht so toll. Also, konkret gab es ja aber diese Koppel, wo er sagt, er hat euch da Räume besorgt, das ist ja eigentlich so ein Kunsthandwerkshaus, wie ich jetzt gesehen habe als ich es besucht habe.
Mike Hentz: Ja.
Interviewer: Und dann gab es halt diese Interface-Veranstaltung, dann gab es die Mediale, also irgendwie ein bisschen was ist da ja auch so aus dem Boden gestampft worden so ein bisschen eigentlich aufgesetzt worden?
Mike Hentz: Also, das ist ein bisschen aufgesetzt worden, gewesen. Die Räume haben wir schon über ihn gekriegt, durch den… der hat, die von dem Handwerkshaus wollten uns ja nicht haben. Er hat denen das verkauft, wir sind Handwerker auch und so, und in dem Sinne haben wir die Räume gekriegt. Aber Interface kam, glaube ich, erst ein Jahr später. Glaube ich 199…
Interviewer: 1980.
Mike Hentz: Wie?
Interviewer: 1989.
Mike Hentz: Ja, dann war das parallel. Also, aber ich…. Also, finanziell kam da relativ wenig zusammen. Da kamen dann später Sachen, wir haben dann auch University TV, das Ganze war gemacht mit der Hochschule, wobei ich damals auch Streit hatte mit der Frau Göhler, die damals Rektorin war. Die sagte: „Das ist keine Erziehung, ihr nutzt dann die Studenten aus.“ Wobei da ganz viele Studenten dann auch ziemlich schnell zum Team gehörten und dann Jobs gekriegt haben. Also, der Streit ob das Ausbildung oder Ausnutzung war, das ist noch ein ganz anderes Thema. Natürlich konnten wir denen nur 500 D-Mark im Monat zahlen und dann mussten wir für sie Lufthansa-Jobs besorgen, damit die da mehr Geld kriegen und sozusagen für uns weiterarbeiten. Es gab natürlich Leute die sind dann auch wo anderes hingegangen. Also, ich meine, der Peter Kabel hat alle Leute von uns immer regelmäßig besucht und abgesaugt, das Trend Büro hat auch die Leute von uns abgesaugt. Also, es war immer wieder. Und da war schon, sagen wir mal, eine Plattform da wie wir dann die ersten Bild-Telefontests gemacht haben, wo ja auch die ganzen Versuche stattgefunden haben. Das stand natürlich bei Peter Kabel im Trend Büro und bei Denker oder bei unterschiedlichen Leuten und in der Hochschule, überall. Und auch bei den Werbeleuten standen dann diese Bild-Telefone. Aber eine richtige finanzielle Unterstützung gab es nicht, die gab es dann später erst in Hannover. Das war wo dann eben das Ganze eben nach Hannover gegangen ist mit all den Schwierigkeiten. Aber brauche ich jetzt nicht zu vertiefen. Aber eigentlich diese Hoffnung hat dann Denker nie erfüllen können. Es war nicht seine Schuld, aber wir haben nie eine große finanzielle Unterstützung gekriegt. Wir haben für die Piazze virtuale von den Österreichern Geld gekriegt, von der Telekom, von Screen Maschine hat unterstützt. Also, schon viele Startup Firmen damals die wichtig wurden, die haben uns unterstützt und mit denen hatten wir Kontakt. Aber die Stadt selber nix. Also, da kam sehr, sehr wenig, obwohl ich sagen muss, Denker hat sich schon angestrengt. Der hat versucht uns immer… hat uns immer empfohlen. Hat uns auch gewarnt wie dann irgendwelche Leute sagten, dass eine unserer Sponsoren Firma Scientology wäre. Da gab es dann ein richtiges Gezeter und das hatte dann Denker als Erster gehört, wir wären von Scientology unterstützt, was jetzt nicht stimmte. Ich weiß nicht mehr, welche Firma das war, ob es Screen Maschine oder irgendjemand, war im Verdacht, dass die von Scientology unterstützt oder in irgendeiner Form finanziert werden. Und das konnte einen so Hashtag mäßig schon das Genick brechen. Aber wir hatten damit nichts zu tun. Und es war dann auch irgendwann mal klar, dass es nicht stimmte.
Interviewer: Gut. Wie war in Hamburg, jetzt mal abgesehen von der offiziellen Kulturpolitik, was war da für eine Szene, gab es da Anknüpfungspunkte. Also, der Nick Baginsky den wir gestern interviewt haben, hat ja dann mit euch gearbeitet. Wie würdest du da generell das künstlerische Umfeld für solche Sachen beschreiben?
Mike Hentz: Also, es gab eine unglaublich kritische Haltung gegenüber neuen Medien von den traditionellen künstlerischen Ecken. Aber es gab auch einen großen Underground, wenn man jetzt über Baginsky spricht, über die Maschinenkunst die damals die, ich weiß nicht mehr wie sie hieß, auf Kampnagel, der Schweizer hatte mehrere Maschinenkunst Festivals gemacht. Also, die Künstler kamen als Residents, Tim Whiting, Perry Schwarz, der war dann in meiner Klasse, habe ich dann Kurse mit dem gemacht. Die F13 heißen sie, glaube ich, die für (Stellag?) den Dings gebaut, die fingen da gerade an. Es gab Gordon (Monaham?) und Laura (Kigauga?) die also auch aus dieser kanadischen Maschinenkunstecke. Aus unserem Umfeld hatten wir Erik (unv.) der die Survival Researcher als Erster nach Europa geholt hatte, und der bei (Code Public?) und Minus Delta T Aktionen auch dabei war. Also, es gab Connection zu einer Szene die ein bisschen anders war und die das sehr wohl verstanden hat was wir gemacht haben. Auch die ganze Hacker Szene war ja mit uns verbandelt eigentlich seit den 80er Jahren, Ende der 80er Jahren. Wie (Viverndi?) dann in Paris verhaftet wurde für seinen Hack des Französischen Verteidigungsministeriums, haben wir dann in der Markthalle die Benefits Veranstaltung für die Hacker und für (Viverndi?) gemacht. Also, diese ganze… Peter Glaser war auch Holland Hacker-Ecke die Maschinenkünstler. Diese ganzen Leute waren Leute die in unserer Szene mit drin waren, die eine andere Plattform waren als diese Kunstgeschichte. Andererseits gab es natürlich auch wieder die… das war eigentlich das Ende davon, aber diese Netzwerkgeschichten von Infermental und so weiter, und die Folgegruppen die alle Kontakte noch zu uns hatten. Und da auch in irgendeiner Form, also ein Respekt da war, der zwar von den traditionellen Künstlern nicht verstanden wurde. Es war ja schon komisch, dass in den 90er Jahren eine der Hauptaufgaben von Peter Weibel war, den Amann hieß der, glaube ich, Amann von Kurator. Hans-Jürgen Amann, der das Museum in Frankfurt gemacht hat.
Interviewer: Ah ja.
Mike Hentz: Dem sozusagen zu erklären was Medienkunst ist. Also, den ganzen in Anführungszeichen Alten die das gehasst haben. Ich habe auch in Polen, kannte ich die ganzen Offiziellen, die haben alle Medienkunst gehasst. Und haben auch diese Verbindung mit Filmkunst überhaupt nicht geschafft. Und es gab eben nur diese Videokunst die dann über Herzogenrath und teilweise über dieses Infermental, wo also auch eine Szene da war. Aber vom Traditionellen war da wenig da.
Interviewer: Gut. Du hast gerade Polen erwähnt, das ist vielleicht auch noch wichtig für die Vorgeschichte von Piazza virtuale, dass es halt dieses Netzwerk, was du ja auch vorhin angesprochen hast, gegeben und zwar auch nach Ost-Europa. Was ja zu der Zeit ein wenig unzugänglich gewesen ist. Und (darüber ist es ja auch vorhin schon?) gegangen, verschwunden war. Wie ist da, also warum hat das euch überhaupt schon interessiert, schon vor dem Fall der Mauer da tätig zu werden und inwiefern hat das dann auch Auswirkungen für die Piazza virtuale gehabt?
Mike Hentz: Also, über Infermental, über Gábor Bódy damals, den Gründer von Infermental, der ungarische Filmemacher hatten wir ja schon sehr früh Kontakte, auch mit Ost-Europa. Es gab ja auch die Nummer die in Budapest gemacht wurde. In Polen wurde eine Nummer gemacht, in (Utsch?). Und das heißt, das ganze Ost-Netzwerk war schon vorhanden über Infermental. Da hatten wir auch die ersten Kontakte komischerweise über die EssPress aus Wuppertal die Kontakt zu den Moskauer Konzeptionalisten, zu den (Kabakovs?) und (Monaskersky?) hatten. Das heißt, wir hatten in Infermental 1987 schon Videos drinnen von kollektiven Aktionen von (Monaskersky?) und den Moskauer Konzeptionalisten die drin waren. Und die über diese Wuppertaler, so über das Bangkok Projekt, nämlich das Steinprojekt und das dann in die Kamera reinhielten in schwarz-weiß, da war dann plötzlich Bangkok. Also, es gab Connections und Austausch in dem Bereich die sich über Infermental auch mit Frigo immer weiterentwickelt haben. Und diese Netzwerke haben wir dann sehr früh auch eingebunden. Also, es gab dann Kirill Preobraschenski von den Moskauer Konzeptionalisten, war schon in Amsterdam bei den ersten Pompino Versuchen dabei, dann auch in der Ars Electronica. Die ganze Ost-Reise 1989 war natürlich insofern sensationell, da waren diese alten Netzwerke und die Netzwerke von Indulis Bilzens aus Frankfurt genutzt haben, der ja Lette war. So haben wir eigentlich Devisen gekriegt. Wir sind im Februar 1989 losgefahren und sozusagen im Juli 1989 zurückgekommen. Und da war ja „Was denken sie über die Zukunft“. Also, wir sind sozusagen im Februar durch Polen gefahren, dann waren wir in Lettland und in Russland, unter dessen war Solidarność passiert auf dem Rückweg hatte sich schon die Regierung gewechselt. Und wir hatten in Ungarn und in der Tschechei waren die Anitas, also Ost-Deutsche Filmemacherin die Punker Filmemacherin, Pfarrerstöchter die in unserem Performance und Van Gogh TV Programm von Anfang an dabei waren, schon seit 1988. Die haben ihre Reportage, Performance Reportage Touren in Ungarn und in der Tschechei gemacht. Und sozusagen auch dieses Europäische Frühstück noch mitgenommen, was da dann im Okt… das ist ja alles parallel gelaufen.
Interviewer: Von den Anitas habe ich noch nie was gehört.
Mike Hentz: Die Anitas, doch, die waren ja schon an der Documenta beim Radioprojekt dabei. Also, zwei Performerinnen und Filmemacherinnen die es heute noch gibt, die also sehr interessant sind, und die in den ersten Van Gogh TV Projekten immer dabei waren. Mit (Malika Zusch?) auch, also meine damalige Freundin, die auch bei Minus Delta T war, haben die performt. Also, das sind… und die waren auch Kontakte, also Kontakte nach Ost-Berlin gab es damals schon sehr früh den Christoph Tannert, der ja ganz früher Fan war von uns und schon früh Ausstellungen von Minus Delta T in der DDR gemacht hatte. Und dann hat man die verschiedenen Leute besucht. Also, wir hatten dann auch 1987, 1988 wie wir in Indien an der (unv.) waren mit Minus Delta T haben wir Johannes Heisig, den Sohn von dem Heisig Maler und (unv.) getroffen von der Kunstakademie Dresden, die mit Stasi-Begleitung. Das war alles ein Netzwerk was wir dann schon hatten.
Interviewer: Der Rest der Kunstszene null interessiert. Also, da ist ja…
Mike Hentz: Nein, es hat niemanden interessiert. Wir sind dann auch, also Couty, Karel und ich sind immer Tagesfahrten nach Ost-Berlin rüber und sind 1989, da war Tannert ziemlich sauer, aber wir waren EKD. Er sagte, das sind Stasis, haben wir ein Visum gekriegt drei Wochen DDR. Das heißt, wir sind dann in Dresden und bei den Lewandowskis gewesen, beim Lügenmuseum, den gibt es ja heute noch Reinhard Zabka und so weiter. Er hat keinen Menschen interessiert, das stimmt. Reinhard Zabka habe ich 1989, 1990 in Hamburg in der Kunstakademie ausgestellt. Also, das sind schon DDR Ikonen, Verein der deutsch-demokratischen Querdenker war der. Also, der war phantastisch. Der hat Erdbeben Maschinen gemacht, die kann man heute noch besuchen. Der hat Maschinenkunst gemacht, das waren psychedelische Erdbeben Maschinen die jetzt noch im Lügenmuseum in Radebeul stehen. Also, die würde ich mir schonmal angucken, das hat sich nie vermischt. Das fand ich irgendwie interessant.
Interviewer: Das ist auch nach der Wende dann nicht plötzlich als große Entdeckung irgendwie gefeiert worden, soweit ich mich erinnere?
Mike Hentz: Nein. Und das war ja auch der Frust von Tannert, weil die Sowjet-Leute relativ viel Karriere gemacht haben. Und er dachte mit der DDR und das hat dann nicht geklappt. Also, ich denke…
Interviewer: Der Lewandowski (unv.) Gabriel?
Mike Hentz: Die sind dann ein bisschen über die Eigenart Galerie, da war ja dann der Tannert außen vor. Tannert hat ja diese ganzen Abtipp-Magazine gemacht auch damals. Die haben ja mit Blau-Pause das getippt und dann Auflage von 50 gemacht, weil fotokopieren war kontrolliert. Oder diese Walzen auch hatten die. Und der war komplett frustriert nach der Wende, komplett, weil dann irgendwie gewisse Leute, wie er festgestellt hat, wer natürlich alles dabei war, Sascha Andersen und so weiter. Er hat ja in den gleichen Kreisen da in Ost-Berlin bei der Töpferin, bei den Maas, bei der Elfriede Maas und Heiko Maas glaube ich diese…
Interviewer: Heiko Maas ist der Außenminister.
Mike Hentz: Nein, nicht…
Interviewer: Es gab diesen Maas Verlag, meinst du die?
Mike Hentz: Nein, nein. Also, Elfriede Maas und der Ekkehard Maas oder so ähnlich, der hat (unv.) auf Deutsch gesungen. Und der hatte so einen Literatur Salon, wo dann alle da waren, wo eigentlich auch der Tannert sein Büro hatte. Die Schönhauser Allee, gibt es heute noch da, nicht Allee, Schönhauser… naja, am Prenzlauer Berg gibt es das noch. Und das war sein Büro. Und wie der dann festgestellt hat, wer da alles dahintergesteckt hat, er ist zusammengebrochen. Der hat das nicht…
Interviewer: Wir kommen so ein bisschen vom Thema ab, obwohl das interessant ist. Können wir vielleicht bei anderer Gelegenheit nochmal vertiefen. Aber Reisen ist ja generell also schon bei Minus Delta T ein wichtiges Thema gewesen, warum eigentlich, was ist an dem Nomadischen (unv. Stimmenüberlappung)…
Mike Hentz: Das Nomadische war das Pflichtprogramm da wir im eigenen Land nicht respektiert wurden. Ich habe damals, wie ich von Paris kam, in Düsseldorf gelebt, Düsseldorf wollte niemand meine Kunst. Also, musste ich mit Zug und mit Auto Stopp und mit Sack und Pack musste ich meine Ausstellung und Performance wo anders machen. Und so war es halt immer, dass man wo anderes hingehen musste, um irgendwie zu performen. Das war für Karel genauso wie für mich. In Düsseldorf hat sich niemand für uns interessiert.
Interviewer: Da, ich weiß nicht, ob das jetzt ein glatter Übergang ist, aber der Name Van Gogh TV hat ja auch was mit diesem Nomadischen zu tun, Ausläufer in andere Länder oder wo wir gerade dabei sind könnten wir den vielleicht mal klären?
Mike Hentz: Der war rein kommerziell gedacht aus dem Grund, da wir in Osnabrück das erste Mal den Namen Van Gogh TV benutzt haben, wir hießen ja in Kassel Ponton Media Bus, und das Internationale Radiosyndikat, das war dann Radio X, die Radio 100 Berlin hatten wir reingenommen, Rabotnik TV aus Amsterdam. Rabotnik TV der Vinzent hat uns die Sender gebaut. Und da das Holländer waren haben wir Van Gogh TV genommen, so ganz einfach. Und dann, weil Van Gogh ganz klar ein künstlerischer Begriff war. Es war jetzt nicht Coca-Cola TV oder so, sondern Van Gogh war klar als Kunst zu verorten. Und wir haben dann… sind nach Osnabrück als Ponton Media gegangen, wo wir Modelle von Fernsehen und Radio gemacht haben und auch geschnitten und Reportagen gemacht haben. Die Anitas waren auch dabei, Malika Zursch, Christoph Dreher war auch dabei. Und dann nachts haben diese Holländer, die wir ja nicht kennen, unsere Sendung ausgestrahlt. Klar, es waren wir, aber wir haben gesagt, es wären Holländer gewesen. Und so haben wir eben Van Gogh TV lanciert erstmal, indem wir gesagt haben… und haben den Namen behalten. Und haben diese erste Poster auch in Osnabrück gedruckt auf gebrauchtes Papier von italienischen Restaurant. Also, deswegen war das dann Rot-Weiß-Grün, das ist die italienische Fahne, und Van Gogh TV drauf gedruckt.
Interviewer: Wo wir gerade beim Namen sind, Ponton ist ja der andere Name der da im Gebrauch ist, wo kam der her, was war da die (unv. Stimmenüberlappung)?
Mike Hentz: Ponton war…
Interviewer: Entschuldigung, wenn ich…
Mike Hentz: Ja, ja. Ponton war relativ klar, das war, glaube ich, 1986 Ars Electronica, wie wir die Todes-Oper gemacht haben da, und auch Ponton Media gemacht. Also, Container-Set die an der Donau und das so als Ponton, als (unv.) oder als mobiles Teil hatten wir das Ponton genannt. Also, Container, Ponton Container (unv.) war das, Ars Electronica war 1986 und das haben wir dann so beibehalten.
Interviewer: Okay. Jetzt haben wir den Namen, jetzt hatten wir Osnabrück diese ersten oder nicht die ersten, aber es hat da diese Experimente mit Piraten Fernsehen gegeben. Wie ist man jetzt ja eigentlich auch in relativ kurzer Zeit, Osnabrück war 1989, ne?
Mike Hentz: Ja.
Interviewer: Wie ist da in so kurzer Zeit die Idee entstanden zu dem was dann nachher Piazza virtuale geworden ist?
Mike Hentz: Also, ich meine, die Vorlaufszeit ist schon ein bisschen länger. Also, über diese ganzen Experimente und Techniken die wir ja bei Frigo auch praktizieren konnten, Karel und auch Benjamin haben oft bei Frigo gearbeitet, und sich da auch eingearbeitet. Wir haben Computer Kurse bei Benjamin genommen in den 80er Jahren mit seinem IBM in Frigo relativ schnell 1989 wie wir Ponton in der Koppel angefangen haben, haben wir verschiedene Experimente angefangen. Also, diese ganze Bild-Telefon Geschichte hatten wir ja schon auch 1986 in der Ars Electronica mit Slow Scan TV wo wir mit dem Autotelefon rumgefahren sind und über Computer Slow Scan Bilder übertragen haben in die Container City. Das heißt, über diese Distanz zu übertragen oder zu (unv.) war immer schon auch ein Thema gewesen, genauso wie Call-In oder Telefone bei Radiosendung hatten wir ja auch in Lyon die ganze Zeit. Also, es war in irgendeiner Form schon interaktiv, ich hatte das in verschiedenen Radiosendungen eigentlich auch schon das Konzept Theater TV, Theater Radio, was ein Klassiker von uns war. Das hatten wir ja schon, glaube ich, 1986 oder 1985 beim Niederösterreich Festival eingereicht, wo wir sozusagen ein Rollenspiel über Telefon Romeo und Julia haben wir zwei, drei Prototypen gemacht. Eine Telefonline war Romeo und die andere war Julia. Und das ist das Publikum die diese Rolle gespielt hatten, mit einem Moderator der das immer wieder aufgegriffen hatte. Also, interaktive Geschichten gab es schon viele. Und auch das ganze Hotel Pompino ging ja dann auch in diese Richtung, wo interaktive Geschichten jetzt mit Kandidaten, aber auch mit Call-In. Und dann haben wir ja, glaube ich, fast ein Jahr diese Bild-Telefonexperimente gemacht in Hamburg mit den verschiedenen Strukturen von Kabel bis zum Trend Büro, mit der Hochschule University TV. University TV, die ersten Sendungen waren teilweise auch mit Bild-Telefonübertragungen. Und dann bis hin zum Golf Krieg 1990 wo Karel dann in Jordanien war und ich mit Benjamin in Amerika, in Boston, in New York und in Vancouver und in San Francisco und Direktübertragungen per Bild-Telefon gemacht haben von dem Kriegsgeschehen, weil Karel nach Irak nicht reingekommen ist, sondern eben in Jordanien stecken geblieben ist und von dort berichtet hat. Also, es war… eine andere Geschichte war der Life-Ticker von Benjamin der die ganzen Nachrichten immer durchlaufen ließ als Tacker. Also, der hatte dann eine Funkstation wo er die Iranische Nachrichtenagentur und so weiter, alles runtergeladen hat, live runtergeladen. Und wir haben das dann so als Ausdruck immer laufen lassen, also Info.
Interviewer: Wo war das?
Mike Hentz: Das war auch in der Koppel.
Interviewer: Ach so, das war jetzt gar nicht irgendwie für eine Ausstellung, sondern…
Mike Hentz: Nein, das sind immer Sachen die wir parallel ausprobiert haben. Und die dann natürlich immer mehr zu einem größeren… und ich meine, die ganze Pompino, die verschiedenen Räume waren natürlich auch diese Frame Works, um irgendwie interagieren zu können. Also, Pompino war dann schon Vorstudio für das ganze Piazza virtuale, wo dann eigentlich nur noch die Leute drin waren in diesem Raum. Und dann ging es darum, wie visualisiert man das, dass die Leute in dem Raum drin sind, ne.
Interviewer: Du hast vorhin gesagt, wir wollten senden, für dieses Bedürfnis gab es ja durchaus auch eine gewisse Infrastruktur zum Beispiel diese offenen Kanäle in den 80er und 90er Jahren im Fernsehen.
Mike Hentz: Ja.
Interviewer: Da hätte man ja auch sagen können, wir machen einfach eine offene Kanalsendung einmal in der Woche…
Mike Hentz: Haben wir ja auch (lacht).
Interviewer: Aber ein Bild-Telefon geht ja darüber hinaus. Da geht ja schon auch darum, eine eigene Infrastruktur?
Mike Hentz: Ja, wir haben dann Bild-Telefon dann natürlich auch mit einem offenen Kanal in Hamburg dann ausgetestet, wo dann in der Hochschule ein Studio war und eines im offenen Kanal. Dann haben wir da diese von Raum zu Raum Sachen mit dem University TV und den Studenten gemacht. Aber natürlich hatten wir ja schon Kabel-Beratung und Entwicklung in Frankreich gemacht mit Frigo. Und mit Karel und ich waren ja dann vielfach mit Indulis Bilzens auch, ich glaube, in Ludwigshafen. Ich glaube, war einer der ersten Kabelfernsehanstalten in Deutschland, dass wir dann…
Interviewer: Dank Helmut Kohl, ja. Das war (unv. Stimmenüberlappung)…
Mike Hentz: Ja, da waren wir dann mit Indulis Bilzens waren wir öfters eingeladen, haben wir Performance gemacht bei den… mit Call-In auch, das kann ich mich erinnern. Und dann hatten wir mit Frigo natürlich viele Sendungen auch im offenen Kanal in Berlin gemacht in den 80er Jahren, wo dann mit Malika und Couty und ich, und dann die Sängerin, wie hieß sie denn wieder, die schwarzhaarige Ost-Deutsche.
Interviewer: Nina Hagen.
Mike Hentz: Nina Hagen hat dann bei den Sendungen von uns… gibt es Aufnahmen noch von sozusagen Frigo TV, was wir dann im offenen Kanal in Berlin gemacht haben mit Nina Hagen und allen Musikern und Leuten die wir damals kannten. Also, schon auch Netzwerkgedanken, nicht nur sich selbst darstellen, sondern einfach ganz viel verschiedene Leute und Philosophien auch in den 80er Jahren da eingeladen.
Interviewer: Gut. Aber wir waren jetzt eigentlich sehen geblieben so bei dem konkreten Weg hin zu Piazza virtuale. Also, es hatte Hotel Pompino bei der Ars Electronica gegeben, es hat diese Container City gegeben. Da hat das ZDF, der Herr Bergmann irgendwie von euch gehört.
Mike Hentz: Ja.
Interviewer: Aber wo war jetzt genau irgendwie, wo ist der Funken übergesprungen, wir machen jetzt was für 3Sat und überlegen uns dafür nochmal ein anderes Format?
Mike Hentz: Also, bei 3Sat gab es ja ein Jahr Kühlschrank, nach Hotel Pompino. Da gab es ja diesen Bild-Zeitungs-Skandal, habt ihr das nicht mitgekriegt? Hotel Pompino haben wir gesendet und dann gab es ja auch die Stunde der Wahrheit, was würdest du nie tun. Und dann hat ein Kandidat gesagt: „Ich würde nie den Arsch von Helmut Kohl auswischen.“ Dann war am nächsten Tag Bild-Zeitung: „Skandalöse Fernsehsendung.“
Interviewer: Die schlechteste Sendung überhaupt.
Mike Hentz: Die schlechteste Sendung überhaupt. Finanziert von Siemens und Ars Electronica. Siemens hat angeblich so und so viel verloren. Und dann saßen die Intendanten die letzten zwei Tage beim Ausschaltknopf, wo wir dann Witze drüber gemacht haben und das auch thematisiert haben. Und dann waren wir so als Jungtalente waren wir dann erstmal durch. Also, 1989 Republic TV, dieses Live-Fernsehen, das fanden sie super toll, deswegen haben wir Hotel Pompino bekommen. Und dann war erstmal Ruhe und dann haben wir gar nichts gekriegt. Und dann haben wir ja diese Amerika Tournee und andere Sachen gemacht, und eigentlich immer weiterentwickelt. Und dann ist das eigentlich über die Documenta gekommen. Das in der Documenta war ein Interesse an unseren interaktiven Geschichten. Und ursprünglich hatte dann der Jan Hoet eigentlich sich nur für uns interessiert, weil er dann diese Weibels und Herzogenrath weghaben wollte. Dann hat er sich überlegt, wer geht denen auf den Wecker oder wer ist die Generation danach. Und hat, wie du richtig mitgekriegt hast, mit uns eigentlich gar nicht so viel anfangen können. Hat uns dann auch als Künstler zweiter Klasse behandelt und also, hat es ja schon üble Szenen gegeben, wo dann die Künstler der Documenta zu irgendwelchen Veranstaltungen eingeladen waren und Van Gogh TV mussten außen vor bleiben, ihr seid ja nur Künstler zweiter Klasse oder Projekte, ihr dürft hier nicht rein.
Interviewer: (unv.).
Mike Hentz: So ungefähr. Und das war schon heftig, das fand ich schon also sozusagen…. Und dann danach später alle zitieren es, aber vor Ort wurden wir dann irgendwie schon auch schlecht behandelt. Also, das war irgendwie…
Interviewer: Also, ihr wart eingeladen, aber ihr wart nicht so richtig offiziell eingeladen. Ihr wart keine Documenta-Künstler, aber die Initiative ging von der Documenta aus?
Mike Hentz: Wir waren schon Documenta-Künstler, aber nicht die 30 Leute. Das heißt, wenn eine Veranstaltung war, da war eine Einladung für einen. Aber wir waren ein Team von 30 Leuten bis 40 Leuten vor Ort. Ich meine, insgesamt waren es ja ein paar Hundert. Aber vor Ort, wenn Karel oder Salvatore oder Benji gerade mal eine Veranstaltung, das ging, aber die anderen waren immer außen vor. Die haben gearbeitet wie blöd die ganze Zeit und dann durften sie nicht zu den Partys.
Interviewer: Okay. Also gut. Es gab… aber die Initiative ging von der Documenta oder vom Jan Hoet aus euch dabei haben zu wollen?
Mike Hentz: Ja.
Interviewer: Und wie kam dann 3Sat, die ja da auch ihre Erfahrungen schon gemacht hatten, wieder mit ins Boot? Denn das ist ja, ich meine, da kommt ja so unheimlich viel zusammen. Diese ganzen Sponsoren oder so, ich denke mal, wenn da einer abgesprungen wäre, wenn die Telekom nicht mitgemacht hätte, hätte das ganze Projekt nie stattfinden können, oder zumindest nicht in der Form?
Mike Hentz: Ja, das war schon ein unglaubliches Pokern war ja das. Also, die bei Stange zu halten und bei 3Sat wieder vorzusprechen. Und deswegen ist ja die Brinkmann dann auch als Fix-Institution wegen dieser Erfahrung von Hotel Pompino Zensur und Helmut Kohl wollten sie die fix dabeihaben. Aber ich meine, das haben wir ja vertraglich alles geregelt gehabt, also in dem Sinne ging das ja auch, ne. Und es gab ja Alternativen, also dieser Olympus Satellit war ja dann wirklich auch ein Glücksfall, weil dadurch konnten wir unabhängig von ZDF und 3Sat sozusagen auch Ländern beliefern wie Russland oder wo anderes, wo sie sich es runterziehen konnte. Oder Lettland oder Litauen oder Prag, oder und so weiter, Italien die sich das runtergezogen haben und so war es dort auf dem Fernsehen. Und es gab auch rechtlich keine Probleme. Das war schon, das war ja so ein Satellit, ich weiß es nicht mehr genau, der ein bisschen defekt war und nur teilweise genutzt werden konnte. Also, irgendwie auch ein komisches Konstrukt. Und da sind wir dann auch wieder in Kontakt gekommen mit diesen komischen Leuten wie, der jetzt ja auch Künstler ist, Hermann Josef Hack oder sowas, ja, der sich ja da komplett aufgebaut hat. Und dann sozusagen die Space Nights über Piazza virtuale in Anführungszeichen erfunden worden sind sozusagen, natürlich über sein Angebot. Es gibt schon… er hatte den Kontakt gemacht zu Space… zu der Abteilung und zur Forschungsabteilung und die Meeresforschungs-Schiffe und so weiter, hat er den ganzen Kontakt gemacht. Das war schon toll. Also, über den haben wir das dann noch mehr ausgeweitet in eine andere Richtung, die vorher nicht da war, ne.
Interviewer: Aber ihr kamt ja, wie gesagt, aus dieser Performance- und Aktions- oder irgendwie auch Untergrund-Ecke und plötzlich ist man da irgendwie so in Verhandlungen mit der Telekom und 3Sat und irgendwelchen Computerfirmen verwickelt. Hast du dir nicht manchmal auch gedacht, das wird mir jetzt irgendwie zu uncool, ich habe kein Bock auf dieses ganze geschäftliche Vorgehen, ich…
Mike Hentz: Wir hatten ja einen Vorläufer. Also, der Vorläufer war ja auch Minus Delta T, das Steinprojekt. Da hatten wir ja schon sehr früh mit Sponsoren gearbeitet, wo alle dagegen geschimpft hatten. Also, wir hatten ja, auf dem LKW hatten wir ja auch stehen „Milde Sorte Tabak Regie“, da haben dann Künstler die heute von Philip Morris finanziert gesagt, wir wären Prostituierte und so weiter. Wir waren es gewohnt im Anzug ohne Frühstück, ohne Kaffee getrunken zu haben auf der Zugtoilette irgendwo in die Stadt zu fahren Karel und ich. Und dann da eine Verhandlung während drei Stunden zu machen für ein Sponsoring. Das waren wir gewohnt. Also, wir waren trainiert. Das waren dann hauptsächlich Karel und ich und dann kam Benjamin etwas dazu, Salvatore später eigentlich erst. Wir waren da geeicht, wir waren das gewohnt. Natürlich war das dann irgendwann mal frustrierend nur noch die Orga zu machen und immer versuchen das Geld aufzutreiben. Wir haben ja damals auch die ganzen Container von der Ars Electronica hatten wir ja gesponsert gekriegt von (Jodak? #01:04:29-4#). Und dann mit dem zusammensitzen, mit denen dann irgendwie Schnaps trinken von der Container Firma. Die wollen ja ein persönliches Erlebnis mit dir haben. Also, permanent performen in irgendeiner Form, um Mittel zu kriegen die unabhängig sind von der Kunst, ne.
Interviewer: Das wollte ich jetzt gerade fragen, war das vielleicht auch so eine Art Performance Art sich da irgendwie als Künstler und Vermittler und Verhandler irgendwie zu präsentieren?
Mike Hentz: Also, jetzt bei Piazza virtuale war es ja dann nicht mehr, da war es ja dann oft so, dass wir dann wirklich auch Forschung betrieben haben, wenn die aus Frankreich angerufen haben, die aus der Schweiz angerufen haben, um in irgendeiner Form zu sehen wie die ISDN-Systeme von Frankreich und die von der Schweiz, die anders waren als die Deutsche, wie die zusammen funktionieren können, waren wir schon die Einzigen die das irgendwie wussten, weil wir das ausprobiert haben. Und das war ja, wo es dann auch gekippt ist. Also, diese Bittsteller Geschichte bei der Telekom die dann irgendwie dann nach drei Wochen ja eine Rechnung bezahlt haben. Dann haben wir gesagt: „Hallo, wie viel Leute rufen denn bei euch hier an, wie viel verdient ihr denn da. Ich denke, wir müssen diesen Vertrag neu überdenken, wir zahlen euch keine Rechnung von Telefon und so weiter.“ Die wollten ursprünglich, dass wir die Telefonrechnung bezahlen, wo dann 100.000 die Stunde oder 200.000 die Stunde angerufen haben und die verdient haben wie blöd dran. Wir dann permanent Berater waren für ihre eigenen Systeme, dass die in Frankreich oder in Italien oder in Russland das ISDN-System zusammengeschaltet werden kann, haben wir umsonst beraten. Das haben die dann irgendwann mal auch eingesehen. Und so hat sich das dann auch umgedreht und wir hatten natürlich auch Firmen wie die Screen Maschine und so weiter, die ja schon bei Hotel Pompino dabei war, und überhaupt die einen allerersten Test gemacht hatten, die haben uns dann immer auch solide unterstützt. Also, das war dann schon, wir hatten einen Qualitätsbegriff bei den Leuten. Auch wie man die verschiedenen Bild-Telefone untereinander synchronisieren kann. Da haben uns X-Leute angerufen. Das war zusätzlich Job, da haben wir nicht mal Geld dafür genommen, ne. Und natürlich war das zu viel. Wir haben uns… menschlich waren Salvatore, Karel und ich, wenn wir unsere Klausuren machten, uns zurückgezogen haben und Feedback gemacht, wir haben uns nur angekotzt. Also, wir waren nur die Toilette für die anderen, weil dieses permanente sich kontrollieren, dieser permanente Frust das immer bei Stange zu halten. Und ich bin dann jeden Monat in acht verschiedene oder zehn verschiedene Städte gefahren, immer durch die Welt gefahren die ganzen Privatbeziehungen sind irgendwie belastet oder den Bach runtergegangen. Karel konnte nur noch in der Sauna sich entspannen. Also, alle sahen scheiße aus, waren scheiße drauf. Und wenn wir zusammen waren haben wir uns nur gegenseitig angekotzt, weil wir die Einzigen waren wo wir das konnten. Und das war unsexy. Das war absolut…. Also, und wir waren dann auch, also ich war ungefähr ein Jahr komplett ausgebrannt nach Piazza virtuale. Natürlich hat jeder von uns einen Job von fünf bis zehn Leuten gemacht. Es war nicht zu finanzieren, es war ein absoluter Wahnsinn. So ein Arbeitspotenzial was wir geleistet haben mit dem Personal was wir hatten war absoluter…. Also, es ging nur, weil wir einfach eben diesen einen Stolz hatten, wir müssen das durchziehen, wir müssen es schaffen. Und aber am Schluss, dann nach… ich meine, die ganze Vorlaufzeit war ja auch… das lief ja schon seit…
Interviewer: (unv.) hier muss man natürlich auch mal sagen, ihr hattet auch viele Leute die auch mit sehr viel Enthusiasmus und Energie und dem Ehrgeiz es zu packen mitgearbeitet haben?
Mike Hentz: Ja, aber wie ich vorhin sagte, es gab also, was für mich bei den Piazzettas auch am Schlimmsten war, war irgendwie die Leute darauf umzupolen, dass sie eben nicht nur die künstlerische Darstellung, sondern das Interaktive.
Interviewer: Ja, nein. Aber ich meine jetzt zunächst mal die Gruppe in Kassel. Ich meine…
Mike Hentz: Die Gruppe in Kassel war eine Bombe. Also, ich meine, die hatten auch ihre Limits zwischendurch und sind auch ausgefallen und…. Aber das war eine Bank. Also, diese 30 Leute die von Anfang bis Ende dabei waren, das waren Elitesoldaten würde ich mal sagen (lacht). Also, ohne die wäre es, es wäre nicht gegangen, oder?
Interviewer: Wie würdest du die Arbeitsatmosphäre in Kassel beschreiben, auch unter dem ja nicht unbeteiligten Druck?
Mike Hentz: Unsexy. Also, das ist, also mein größtes Problem waren dann immer die Frauen. Die Frauen haben das nicht ausgehalten auf Dauer, weil es unglaubliche Leistung, unglaublicher Druck und eine relativ brutale Umgangsform miteinander, anschnauzen, sarkastische Witze und puschen und durchhalten und testeronsmäßig, das schaffst du nicht, komm jetzt, du kippst ja schon um. Also, es wurde immer sich gegenseitig hochgepuscht damit man immer bei Draht war.
Interviewer: Das wäre nicht anders gegangen. Denn wir haben auch andere gesagt, dass da zum Teil schon ein recht heftiger Ton herrschte?
Mike Hentz: Ja, es war grauenhaft. Also, ich fand das, also wir brauchten das untereinander nicht unbedingt Karel und ich und Salvatore und Benjamin. Aber wie gesagt, wenn wir uns getroffen haben, haben wir uns trotzdem ausgekotzt. Aber in der Funktion musste man permanent die Leute nach vorne peitschen. Weil es war zu viel Arbeit, es war viel zu viel Arbeit und wir hatten niemanden anders, wir hatten kaum Ersatz. Und die Leute die wir hatten, das waren wie Rennpferde, die mussten wir immer peitschen damit die weiter rennen. Und natürlich hat es dann, menschlich war das Limit. Also, ich fand das auch ziemlich Limit, und es war auch mein Interesse eigentlich nie wieder so eine menschliche Situation zu haben.
Interviewer: Gleichzeitig warst du, hast du vorhin schon gesagt, du warst der Außenminister, du warst viel unterwegs und musstest diese Piazzettas erfinden, sozusagen einrichten, Leute finden die das machen.
Mike Hentz: Ja.
Interviewer: Denen die Technik ein Stück weit erklären, die Bild-Telefone und so weiter und sofort.
Mike Hentz: Und die Sponsoren vor Ort finden.
Interviewer: Die Sponsoren vor Ort finden. Wieso hat das mit denen, also mal ganz praktisch gefragt, die Piazzettas sind ja erst so einen knappen Monat nachdem das Projekt schon lief eigentlich erst an den Start gegangen.
Mike Hentz: Ja.
Interviewer: Warum eigentlich?
Mike Hentz: Die Piazzettas sind in… also da wir ja relativ spät den Vertrag hatten und dann eben auch das Technische einrichten mussten und die Formate. Ich bin natürlich auch schon zwei Monate vorher auch schon rumgefahren, aber in vielen Orten war unklar, ob die überhaupt fähig sind zu senden, oder eine Plattform finden, oder die Infrastruktur zusammenkriegen, oder ein gewisses Sponsoring. Das heißt, wir haben die ja nicht bezahlt, sondern wir haben vor Ort versucht Sponsoring zu finden und Technik zu finden, dass die in irgendeiner Form sendefähig waren. Oder als Entrypoint, Entrypoint also als öffentliche Kamera funktionieren können. Das war ja dann auch wieder, zum Beispiel Prag war eine geschlossene Veranstaltung. Da haben die sich zu fünft in die Medienabteilung eingeschlossen und die Leute nicht reingelassen, was wir ja nicht wollten. Oder in der Schweiz haben sie es in der F&F-Schule und in Genf gemacht und da haben sie Leute reingelassen. In Moskau haben sie wieder eine geschlossene Veranstaltung, in Riga haben sie wieder alles öffentlich gemacht. Und das musste ich immer permanent bearbeiten. Ich meine, Riga am Anfang ein Telefon anmelden zehn Stunden, Auslandgespräch. Und dann hatten wir eben Nokia gefunden, oder? So nach drei Wochen. Da kostete auch am Anfang fünf Dollar die Minute. Aber da die so viel Mobiltelefone, diese Klötze verkauft haben, konnten wir die benutzen. Ich habe teilweise Moskau über Riga Mobiltelefon koordiniert (lacht). Und so ergänzte sich ein Projekt nach dem anderen. Und wir mussten Mittel finden, Möglichkeiten, Orte, die Leute motivieren, sehen wer das war. Ich muss mal gucken, ja.
Interviewer: Also, wir waren stehengeblieben bei den Piazzettas, da bist du ja mit Kathy Rae Huffman auch rumgereist. Von der habe ich auch relativ detaillierte Protokolle zum Beispiel. Sie hat mir noch eine Rückmeldung nach Kassel geschickt, das wurde vereinbart, das wird noch gemacht, das wird benötigt. Kannst du dich da vielleicht, um es so ein bisschen anschaulicher zu machen, an irgendwelche konkreten Ereignisse erinnern? Da bei diesem TAZ Haus, das waren ja auch ganz unterschiedliche Gruppen und Organisationen und Individuen. Sind da irgendwie so Geschichten, die dir besonders in Erinnerung sind, so Anekdoten?
Mike Hentz: Also, ich habe eigentlich fast alle Piazzettas koordiniert. Stuttgart wollte unbedingt Salvatore machen, deswegen ist das ja auch nicht so super gelaufen. Nein, aber es ist mit Kathy Rae Huffman war das eigentlich sehr, sehr, gut, weil sie sehr präzise auch gearbeitet hat. Sie war natürlich etwas erschrocken von den osteuropäischen Zuständen. Und sie ist ja dann auch mal eine Schicht nach Petersburg mit ihrem damaligen Freund gefahren und die hatten so Angst, dass sie da nichts zu essen kriegen, dass sie das Auto voller Cola und Essen hatten, wie sie dahingefahren sind, weil sie dachten, sie kriegen nichts. Also, es war dann schon auch, intern von uns, waren da teilweise Vorurteile, unter welchen Bedingungen überhaupt etwas möglich war. Aber es ist auch klar, dass zum Beispiel in Moskau, wie das gelaufen ist, so eine komplizierte und mafiöse Struktur bis hin zu Gesprächen von… Drei Tage lang mit Leuten verhandeln bis man dann irgendwie auch die Technik irgendwie gekriegt hatte. Und mit dem musste man dann trinken gehen. Ich habe (unv.), der in Moskau so den Assistenten gemacht hat, der das geleitet hat, den habe ich jeden Tag um acht Uhr früh aus dem Bett getreten und wir sind um drei, vier Uhr früh mit Wodka trinken, musste dann noch sein mit den und den Leuten und die sind wichtig, dann noch zusammensitzen und so weiter. Es war auch körperlich unglaublich anstrengend sozusagen das Sozialtrinken, das Sozialkontakten. Dann dieses Herumreisen, dann immer dieses Telefonieren, dann noch Essen. Also, es war absoluter Raubbau.
Interviewer: In Moskau kam ja noch das Problem dazu, dass die Technik nicht so leicht erreichbar war oder nicht so existierte und da war mit der Metro irgendwas, mit der U-Bahn, dass da irgendwelche Netze benutzt worden sind?
Mike Hentz: Nein. Das ist ein Gerücht, das stimmt nicht ganz. Wir hatten versucht, verschiedene, unterschiedlichste Netzwerke zu benutzen und auch Firmen einzubauen. Das hat alles nicht geklappt. Das ist alles danebengegangen und es hat dann eine private ISDN-Firma, wie die bezahlt wurde, weiß ich nicht mehr genau, über (Artnef?) ist das glaube ich damals finanziert worden, die hatten auch Interesse an einer Technik und hatten dieses Studio eigentlich noch gar nicht benutzt. Aber es war dann relativ natürlich, live Kamera direkt. Und dann waren natürlich dann zehn Künstler und Kuratoren da, unter anderem die (Artnef?) Leute, die die Moskauer Kunstmesse später gemacht haben und die waren dann da vorhanden. Und die mussten sich natürlich auch darstellen und haben das versucht, im klassischen Sinne so ein, wir mit unseren Konzepten und so und der Grund, interaktiv Bullshit. Und das war irgendwie unglaublich schwer, dann da noch die Brücke zu machen und zu moderieren. Es war dann auch mein Job immer wieder zu moderieren, dass die anderen auch gehört wurden oder darauf hinzuweisen, dass es da jetzt auf einem Chat ist, der und der. Und das irgendwie dann noch zu vermitteln und… Permanentes Coaching. Also, permanentes Schulfernsehen und Coaching. Und in Moskau war das zu kurz, obwohl wir da drei Monate an dem Scheiß gearbeitet haben, dass wir dann zwei Tage gemacht haben. Also, es war…
Interviewer: Gibt es zur Piazza in Ljubljana zu sagen? Da waren wir ja schon. Wie hast du das in Erinnerung?
Mike Hentz: Also, Piazza Ljubljana war insofern ganz gut, da es Marko Kosnik gab, den wir ja schon ganz gut kannten von früher und der relativ viel Radioerfahrung hatte. Also, über Radio Student hatten wir ja schon in den Achtzigerjahren im Kontakt mit Ljubljana über Radio Bellevue in Frankreich. Es gab die freien Radiotreffen in Amsterdam und in anderen Städten, wo wir dann die Leute getroffen haben. Und dadurch, dass wir da schon sehr viel zusammen gemacht haben und er auch als Kriegsflüchtling in Hamburg gelandet war 1991, hatten wir schon viel Austausch gehabt. Und in Ljubljana war dann die Infrastruktur auch relativ gut und eben, das ist glaube ich mehrfach erzählt worden, der Kontakt mit Belgrad, wo dann, aber ähnlich, wie anderswo, natürlich dann die Selbstdarsteller von (unv.) bis weiß Gott wohin, die auch nichts verstanden haben von dem, was wir gemacht haben. Und eigentlich nur geguckt haben, wie sie sich selbst darstellen und das Ganze interaktiv und so weiter nicht mitgekriegt haben. Das Charmante ist natürlich, dass sie sich dann auf dem Äther gestritten haben, zwischen Belgrad und Ljubljana. Die Fernsehleute haben das eigentlich auch nicht verstanden, denen war nur wichtig, dass sie ein Interview machen, neue Technologien Interview, zwei Minuten Mike Hentz mit Marko Kosnik auf dem slowenischen Fernsehen, wir probieren hier neue Technologien aus. Die haben die Sendung nicht mal angeguckt, die haben das nicht kapiert. Die haben das echt nicht kapiert, was da Vorort war. Und es ist da glaube ich in Ljubljana auch relativ spätnachts dann teilweise gelaufen. Haben die Leute nicht mitgekriegt, also ich meine jetzt im Bewusstsein der Medienleute. Eigentlich erst viel später kam dann irgendwie ein Bewusstsein. Ich weiß jetzt nicht wie viel Sendungen in Slowenien von Ljubljana auch connected waren. Es gab dann Städte wie Riga, die waren dann fast jeden Tag online. Aber Ljubljana war dann eher so periodisch mit den Österreichern auch. Also, es ging dann immer um das Potential der Leute. Die Kölner haben jeden Tag produziert. Da gibt es ja heute noch diese ganzen Listen akribisch von Bernd von Brincken, wer zu welcher Minute was gemacht hatte. Also, da waren sie auch super fleißig. Aber auch in diesem Selbstdarstellungs-Dings, was sich dann aber geändert hat im Laufe der Zeit, weil sie dann eben reingekommen sind und das dann auch kapiert haben. Das ist aber, weil sie es dann öfters gemacht haben. Die Orte, wo es nur ein-, zweimal lief, ist dann allgemein danebengegangen.
Interviewer: Hast du selbst so eine Lieblings-Piazzetta, wo du sagst, da hat das besonders gut geklappt?
Mike Hentz: Also, ich fand Riga ideal, wegen den Mitarbeitern. Mit dabei war Ripa und im Sponsoring. Ich fand die Italiener toll. Ich fand die Franzosen toll. Auch wenn die vielleicht nicht so aufgefallen sind, weil die unter ziemlichen schwierigen Bedingungen dann sehr viel geschafft haben.
Interviewer: Also, ich muss sagen, was ich da aus Riga bisher gesehen habe, hat für mich aber oft so einen offiziösen Touch. Da kommt der deutsche Botschafter und die Volkskultur irgendwie und hier ist der Umzug von den (Volksleuten?) und so. Zum Teil hat man so das Gefühl, man ist so mit so einer offiziellen Delegation in einem Warschauer-Pakt-Land unterwegs.
Mike Hentz: Also, es war wirklich ein öffentlicher Entry-Point und Piazza virtuale war sozusagen das erste Mal, dass unabhängig von den Sowjets, die Letten sich selbst dargestellt haben. Und in dem Sinne haben sie das auch genutzt. Also, wir haben eine Sendung angesagt und da war plötzlich eine Demonstration, die haben wir gar nicht bestellt, sondern das waren dann die Letten, die sich selber dahingestellt…
Interviewer: Ganz schwierig. Kannst du es gerade bitte nochmal dann sagen, weil da war jetzt…
Mike Hentz: Entschuldigung. Jetzt ist wieder… Also, da war dann einfach eine Demonstration, die hatten wir gar nicht bestellt und dann war die auf Sendung. Wir hatten auch das riesige Problem in Riga, dass Werbung eigentlich verboten war auf 3sat, aber X Leute Werbung machen wollten. Und dann musste das über den Chat laufen. Also, es war so ein Rumgeeier von Werbung und nicht Werbung, weil sich so gewisse Sachen eben auch finanzieren konnten oder Unterstützung da war. Das exzessiv aus Lettland. Aus Lettland war natürlich dieser ganze Nationalstolz uns das erste Mal dargestellt, unabhängig auch vom westlichen Sender, auch wenn es über ihr Fernsehen lief, aber es lief ja auch über 3sat. Das war für die Letten ziemlich wichtig. Und ich fand eben dieses Spektrum da interessant. Die Italiener waren halt dann wieder die linksradikale Cyberpunk-Szene bis hin zu (unv.) und allen diesen Engländern, die da waren und die Tattoo-Szene. Das war alles wieder einseitig. Die Franzosen waren Performance-Szene und Vanderborght und La Villette, also Wissenschaftszentrum oder die Hochschule in Lyon, wo sie eigentlich nur ihre Kunst zeigen wollten. Das waren immer unterschiedliche Motivationen. Und deswegen hat mir Riga gefallen, weil es eben alle Gesellschaftsschichten… Das, was mich interessiert hat, auch von den anderen Orten, was eigentlich sogar in Köln nicht stattgefunden hat. In Köln war immer alles Szene, auch wenn du die (unv.) geholt hast, es war alles kontrolliert, es war nicht der Alltag. Und in dem Sinne meine ich, dass Riga für mich, neben seinem Nationalismus, eigentlich der Interessanteste Querschnitt der Gesellschaft da war, die uns eigentlich interessiert hat. Der Rest war alles… Natürlich, die Piazzetta in Kassel, da gab es sehr viel Besucher, da gab es dann aber auch die italienische Piazza Mafia, die dann ihre Feste da gemacht hatten und dann wurde dann wieder gesungen. Das war auch okay, aber…
Interviewer: Aber das ist eine sehr elegante Überleitung zu meinem letzten Fragenkomplex sozusagen. Wenn es darum geht, dass so Leute von All-Walk-of-Life teilnehmen, da war ja eigentlich das deutsche Modell sozusagen, also, diese Anrufsendung die Grundlage. Oder da hat es wirklich funktioniert, da konnte jeder anrufen, das waren nicht irgendwelche Cliquen. Und du hast aber gleichzeitig auch schon gesagt, am Anfang gab es halt erstmal diese langen Hallo-Phasen. Wie warst du denn dann zufrieden, als diese ganze Maschinerie, die ihr dann gesetzt habt, ins Laufen gekommen ist? Man hat dann ein halbes Jahr irgendwie gerödelt und jetzt geht es los und war das jetzt so Euphorie auslösend?
Mike Hentz: Also, ich habe wahrscheinlich unter dem Hallo ein bisschen weniger gelitten, wie meine Kollegen, weil ich zu beschäftigt war, die anderen Sachen zum Laufen zu bringen. Ich bin ja nicht im Studio gesessen, sondern ich bin ja immer Connecter gewesen. Und die ersten Piazzas zu connecten, das war einfach ein unglaublicher Act. Das heißt, ich hatte nicht einmal Zeit, mir wirklich diese Sendung anzugucken, teilweise nachträglich angeguckt, weil ich so beschäftigt war, die Leute an Start zu kriegen und ihr müsst dann und dann bereit sein und so weiter, dass mich das Hallo eher dann intern, von den internen Diskussionen hat es mich genervt. Wobei ich dann aber in diesem Kunstkontext, also dieses hämische, das ist ja eh nur Hallo, das ist eh nur Scheiße, was ihr da macht, diese Diskussion mit den Künstlern oder den Kunstgeschichtlern Vorort, die dann so ihre hämische Kritik gemacht haben, habe ich ja nicht so direkt mitgekriegt, weil ich immer unterwegs war. Ich habe es ja dann immer nur mitgekriegt und da ging es durchhalten, durchhalten, durchhalten. Und bei mir ging es auch ums Durchhalten, Durchhalten, Durchhalten. Weil bei uns war es vermutlich auch so, dass am Anfang dann, wie es dann die Documenta eröffnet ist, kamen ja auch ganz viele Leute, die direkt in der Piazzetta Kassel performen wollten. Da kamen ja auch die Kanadier an, die hatten schon ihre Kostüme und alles dabei und haben sich direkt vor die Kamera gestellt und gesagt, wir performen jetzt, weil jetzt die Eröffnung der Documenta ist und wir haben unseren Leuten Bescheid gesagt, also wir müssen jetzt performen. Also, mit so Etwas hatten wir zu tun da in Kassel. Und dann war ja noch Wu Shan Zhuan mit seinem Coffehouse, der eine echte Bereicherung war, der gesagt hat, Labour of Kassel, also ich bin der Gastarbeiter, was er auch war, der chinesische Konzeptkünstler, der unser Gastarbeiter war, der den gesponserten Kaffee dann serviert hatte für die Gäste der Piazzetta. Und der fand das alles bescheuert erstmal. Er redet jetzt anders darüber, aber er fand damals, na ja, das ist jetzt nicht wirklich Kunst, er hat gesagt, das ist jetzt eine Arbeitsstelle für mich, hier kann ich Geld verdienen. Er ist jetzt einer der wichtigsten konzeptionellen chinesischen Künstler. Er hat das in der Reflexion in der Praxis da auch nicht verstanden am Anfang. Der hat nur seinen Job gemacht als Barista sozusagen. Künstler und Barista an dem Entry Point und da sind die unterschiedlichsten Leute gekommen. Das war für ihn interessanter, dieser Netzwerkgedanke, der stattgefunden hat durch die Besucher und die Leute, die da etwas machen wollten. Aber bis das dann in anderes Wasser kam, dieses Hallo, das ist relativ fließend gewesen.
Interviewer: Es stimmt natürlich, dass man merkt, dass das stärker angenommen wird, dass Gespräche entstehen, dass man das Gefühl hat, gerade interessanterweise bei den Satellitenübertragungen, die ein viel kleineres Publikum hatten, dass da Leute irgendwie zusammenkommen, die gemeinsame Interessen haben, also Stichwort Virtual-Community. Aber trotzdem sind ja die meisten Gespräche eigentlich bis zum Schluss so Alltagsgespräche gewesen, die über so gewisse Einführungsfloskeln selten hinausgeht. Das war keine Enttäuschung.
Mike Hentz: Ich meine das Coffeehouse war ja natürlich schon schrecklich. Also, ich meine das Marketplace haben wir ja nie wirklich durchgekriegt, also auch aus diesen kommerziellen Gründen, sowie verschiedene andere Formate, wie dieses Theater TV und das alles, was uns interessiert hat, eigentlich da nicht so reingekommen sind. Das Marketplace wurde sofort zu einem populistischen Chatplace. Das heißt, die Community da vom Coffeehouse war ja dann diese paar hundert Regulas, die waren ja dann immer nur da. Die haben sich ja immer gegenseitig beschimpft, die waren ja dann schon befreundet, also von Anfang an. Das war dann eine Community, die sich innerhalb von drei, vier Wochen gebildet hat und die ist es geblieben bis zum Ende und die waren dann endlos. Und die anderen Sachen, die ich eigentlich interessanter fand noch, wir hatten ja öfters da die Eltern, die mal bei Piazza virtuale angerufen haben und uns verklagen wollten, weil ihre Kids telefoniert haben und dann die Telefonrechnung hochgeballert haben. Aber zum Beispiel ein Schlüsselerlebnis war für mich Moby Dick. Da war irgendein Ingenieur sowieso auf einem Forschungsschiff in der Arktis und es war zehn Uhr früh oder so etwas und dann, Hallo, hier ist der Sven, wer bist du denn? Und dann war dann dieser neunjährige Junge, der auch wieder so Hallo-mäßig. Und der Ingenieur oder Doktor, der da dachte, jetzt gibt es ein Wissenschaftsgespräch, hatte da plötzlich mit einem neunjährigen Jungen zu tun, den überhaupt nicht interessiert hat, dass der auf einem Forschungsschiff war, der wollte nur wissen, wer er ist, der wollte wissen, mit wem spreche ich denn da? Und dann fing der an seinen Beruf zu erklären, was er macht. Ach und du bist wirklich auf einem Schiff jetzt? Ja, ich bin jetzt hier auf einem Schiff. In der Arktis, da wo die Eisbären sind? Und so eine Diskussion fing da an. Und natürlich so diese Sisyphusarbeit, immer neu anfangen zu müssen, war das Bedürfnis über dieses Rollenspiel und dieses Framework, die natürlich beim Coffeehouse nicht möglich war, weil das einfach fließend war. Aber mehr Rollenspiel reinzubringen sozusagen dadurch gewisse Inhalte nicht immer wieder neumachen zu müssen, hatten wir nicht die Zeit weiterzuentwickeln. Also das sind natürlich schon die Sachen, die vom Potential steckengeblieben sind, durch Überarbeitung und weil wir keine Zeit mehr hatten. Die sind aber bis heute immer noch absolutes Potential. Also, wenn ich mir gewisse interaktive Sendungen oder Situationen angucke heute, die stecken immer noch in den gleichen Problemen, machen immer noch die gleichen Fehler.
Interviewer: Aber, so etwas, wie zum Beispiel dieser Beichtstuhl. Das ist ja auch so etwas, wo man denken könnte, das kann jetzt wirklich so eine Gelegenheit werden, wo Leute sich so erleichtern oder Sachen sagen, die sie ihrem Partner oder besten Freunden nicht erzählen würden. Aber das hat zum Beispiel überhaupt nicht funktioniert. Gelichzeitig ist so etwas im Internet ein riesen Thema geworden. Da gab es dann ja so für Schulen plötzlich irgendwie so Sachen, wo man… Das hieß glaube ich so…
Mike Hentz: Der Beichtstuhl hatte natürlich das Problem, dass zu viele Leute gleichzeitig funktionieren konnten. Es gab von Partito Radicale oder Radio Radicale Anfang der Achtzigerjahre in Rom, gab es ein Radiosender von Partito Radicale und die hatten kein Geld mehr für Personal und haben den Anrufbeantworter eingeschaltet. Mussten die nach drei Wochen natürlich abschalten, weil natürlich die ganzen Nazis und alle angerufen haben, um sozusagen Monolog stattfinden zu lassen, war natürlich klar, dass das super funktioniert. Und da Piazza virtuale auch der Beichtstuhl nicht ein Monolog-, sondern ein Dialogsystem war, das war ja auch unsere Sicherheit gegenüber der Zensur, dass wir gesagt haben, da kann ein Neonazi kommen, den müssen wir jetzt nicht herausdrücken, im Dialog wird da diskutiert, dann ist das etwas anderes. Und es gab kaum Monolog-Situationen.
Interviewer: Stichwort Zensur. Das war ja Teil der Vereinbarung offensichtlich, dass da halt von 3sat jemand sitzt, der da zur Not irgendwie die Reißleine ziehen kann. Wäre es dir denn lieber gewesen, so etwas hätte es gar nicht gegeben? Das scheint auch immer so ein bisschen ein Konflikt zwischen den einzelnen Machern zu sein. Also, dass es halt eine Fraktion gab, die eigentlich am liebsten überhaupt nicht eingegriffen hätte oder wenigstens behauptet, dass sie das so gerne gehabt hätte. Und dann gab es ja schon auch…
Mike Hentz: Also, mich hat es insofern nicht gestört, weil die Frau Brinkmann war dann sozusagen eine Zeitzeugin. Und dass jemand drei Monate gezwungen wird (unv.) sich das alles anzugucken und anzuhören, finde ich schon toll. Also, jetzt, dass die gesamte Arbeit, die wir da geleistet haben, von so einer Person erfasst wird und auch glaube ich korrekt gewürdigt werden kann… Also, mir geht es da nicht um die Zensur, sondern mir geht es darum, die Frau hat wirklich alles sich angehört und das fand ich toll.
Interviewer: Die ist auch bis heute ein großer Fan von der ganzen Geschichte.
Mike Hentz: Weil sie alles mitgekriegt hat, weil sie die poetischen Sachen mitgekriegt hat, weil sie die schrägen Sachen… Und weil sie diese Entwicklung, wie die Leute sich bilden oder sich an das Medium anpassen und dann kreativ… Diesen Prozess mitgekriegt hat.
Interviewer: Aber jetzt gehen wir erstmal von der Person. Wäre es dir lieber gewesen, das hätte vollkommen unreguliert stattgefunden oder war so eine Grundsicherung, dass da halt gegen Nazis und, weiß nicht, Pädophile und Arschlöcher irgendwie so eine gewisse Barrikade irgendwie da ist, weil das vielleicht doch so (unv.)?
Mike Hentz: Ich glaube grundsätzlich ist es nicht nötig. Also, ich habe natürlich geschichtlich selber provoziert in Performances, in frühen Performances mit Karel und halt immer auch Erfahrungswerte gehabt, wenn man selber mal angegriffen wurde oder provoziert wurde. Und das fand ich immer spannend, weil ich dann immer schon verschiedene Lösungen im Kopf hatte, wie reagiere ich jetzt darauf? Oder, wie integriere ich das? Viele Leute können ja mit einer Provokation oder einer Störung nicht funktionieren. Und wir haben immer mit Störungen gelebt und konfrontiert und Lösungen gefunden, die ich dann auch elegant fand oder toll fand, dass man jemanden integriert ohne ihn komplett lächerlich zu machen, sondern einfach umdreht, in Anführungszeichen, und dass er ein Teil davon wird, von jemandem, der dagegen ist, dass der dann auch dafür ist. Das hat uns schon interessiert.
Interviewer: Salvatore und auch Karel hört man gelegentlich bei diesen Live-Sendungen, also gerade beim Kaffee und zum Teil versucht ihr dann auch zu motivieren, wenn gar keiner anruft oder so etwas. Hast du da auch irgendwie so gehockt und wirklich da mal dazu etwas gesagt?
Mike Hentz: Ich habe das nur bei Coaching gemacht, bei den Piazzettas. Wenn die komplett verloren waren, war ich immer als Backup da. Also, wenn die in irgendeiner Form nicht mitgekriegt haben, was passiert oder nicht reden konnten oder einfach, ich nenne das, das Medusa-Syndrom der Versteinerung. Also, die Überinformation, das ist für mich das Medusa-Syndrom von verschiedenen Ressourcen, wenn zehn Leute gleichzeitig reden, dann verstumme ich. Und dieses Versteinern ist für mich das Medusa-Syndrom der Überinformation. Und wir waren trainiert auf Multitasking in vielen Fällen und ich auch. Und ich konnte fokussieren auf die verschiedenen Ebenen und konnte so coachen und unterstützen. Also, ich war dann die Brücke. Hast du nicht verstanden, der hat doch gerade das und das gesagt, der meinte dich, nein, du da draußen, wie heißt du denn eigentlich? Giovanni oder bist du der Dings und so weiter, hier sitzt der Fritz, also auch diese Verortung zu schaffen, hier sitzt der Fritz aus Ljubljana und da ist der Dings. Und diesen Sprachgebrauch, den die nicht kannten, sondern die sagen immer nur Hallo, die sagen nicht, Hallo, hier ist Mike aus Kassel. Und so etwas habe ich dann gecoacht. Also einfach diese Verortung geholfen oder denen das auch zugeflüstert.
Interviewer: Wenn man sich jetzt so die Dokumentation anguckt und die Bilder von diesen Containern und so weiter und so fort, das ist ja alles sehr, wie soll ich sagen, basic, grundsätzlich einfach, was natürlich auch den Umständen geschuldet war. Gleichzeitig hast du ja auch deine visuelle Komponente in deiner Arbeit immer gehabt und malst auch und so weiter und so fort. Sind dir da eigentlich solche Sachen, wie zum Beispiel das hier, auch so bisschen gegen den Strick gegangen, dass da jetzt irgendwie so am Computer solche Grafiken zusammengehackt werden? Hättest du das vielleicht gerne doch ein bisschen gestalteter auch so von der Außendarstellung gehabt?
Mike Hentz: Die Containergestaltung ist von mir. Die Außengestaltung habe ich das Design gemacht. Gerade gegen so etwas, die Strichmännchen-Ästhetik gegen die Computer-ästhetik, da haben wir aufgehört miteinander zu streiten, weil es da einfach Überarbeitung und wer macht es und wie? Und da verschiedene Piazzettas auch verschiedene Designs gemacht haben, haben wir da nicht mehr eingegriffen. Klar, bin ich mit der Ästhetik unserer Oberflächen teilweise überhaupt nicht zufrieden. Also, ich möchte sagen, Piazza virtuale, die Oberflächen fand ich zu dreißig bis vierzig Prozent richtig oder ästhetisch vertretbar. Sie waren funktionell reduziert, teilweise haben sie mir überhaupt nicht gefallen. Pompino hat mir mehr gefallen, ich sage mal zu sechzig, siebzig Prozent haben mir die Oberflächen gefallen. Da ich aber da jetzt keinen Einfluss Vorort hatte, eben nur bis Juni und dann war ich eh die ganze Zeit unterwegs, hat es überhaupt keinen Sinn gemacht, sich da einzumischen. Da konnte man ab und zu einen Kommentar machen, aber es war ja wichtig, dass es funktioniert und nicht, dass man sagt, man strahlt es nicht aus, weil es nicht fertig ist. Uns war es wichtiger, auch ein unfertiges Produkt rauszuknallen und auszuprobieren, als da von der Ästhetik und von dem was man jetzt, sagen wir mal, hundert Prozent findet sozusagen zu warten. Sonst wäre es ja nie passiert.
Interviewer: Das ganze Projekt geht hundert Tage lang, danach war wahrscheinlich erstmal große Erschöpfung und so weiter und so fort. Aber gleichzeitig hast du dich dann auch relativ schnell von der ganzen Gruppe verabschiedet, wenn ich das richtig sehe. Kannst du dazu noch etwas sagen, wie die Nachwirkungen für dich gewesen sind und für das ganze Kollektiv?
Mike Hentz: Ich hatte ja geguckt, dass wir in Cap Street in San Francisco einen Artist-in-Residence kriegen, wo wir uns sechs Monate, ein Dreivierteljahr hätten zurückziehen können. Das war meine Bedingung zum Weiterarbeiten. Salvatore, Karel und Benjamin wollten in kommerziellen Bereich. Also, es gab irgendwelche Fantasien oder Vorstellungen. MTV war aufgetaucht, verschiedene Strukturen waren aufgetaucht und sie versuchten mich in den technischen Bereich zu funktionieren, was Ton war. Ich habe gesagt, ich bin in der Konzeption immer dabei gewesen und wenn ich da nicht mehr dabei bin, dann bin ich auch raus. Und ich verlange, dass wir ein Feedback machen. Und dass wir das Lab, während sechs Monaten im Jahr, so wie wir das gemacht hatten, wie wir in Kassel waren, haben wir Frauen und Technik, haben wir das Lab in Hamburg in der Koppel gegeben. Und dann hatten wir auch mit Kathy Huffman gesprochen, dass sie das Lab während sechs Monaten nicht leitet, aber sozusagen betreut und Leute da arbeiten können und wir einen Rückzug machen, das alles analysieren, an einem neuen Projekt in Amerika anfangen zu arbeiten. Das war meine Bedingung. Das ist sabotiert worden, gecancelt worden. Dann gab es diese ganzen Paranoia von, jetzt macht der Van Gogh die (unv.) ohne uns. Und hin und her und Verträge. Ich hatte als Einziger bei Piazza virtuale finanziellen Plus gemacht, der sich gerechnet hat gegenüber dem Rest. Ich hätte, wenn ich meinen finanziellen und materiellen Teil aus dem Ponton Lab herausgenommen hätte, hätte ich sie kaputtgemacht. Das hat mich dann nicht interessiert. Und mich hatte das künstlerische oder das reflektierende interessiert, nicht immer nur diese Akquise, Konzepte machen, Akquise, Akquise, Akquise und sich gegenseitig ankotzen. Da habe ich gesagt, jetzt ist Schluss, wir brauchen Feedback, wir müssen für uns etwas tun, auch privat. Und die waren am weiterballern, in Anführungszeichen, und auch mit dieser E-Commerce-Blase, die denen dann auch noch in den Kopf gekommen ist, die bei Salvatore dann auch noch geplatzt ist. In Silicon Valley gab es eine Firma, da waren zweihundert Leute daran am arbeiten und wir haben zu dreißig das Gleiche gemacht und mehr gemacht, als die da im Silicon Valley. Und ich habe das auch nicht mehr eingesehen von diesem Ausnützen und da mich dementsprechend dann auch zurückgezogen und fokussiert auf Musik und auf Kunst und auf andere… Also wieder auf analoge Geschichten, um mich zu grounden. Ich konnte nicht mehr dann.
Interviewer: Inwiefern hast du da Plus gemacht? Also, wie konntest du Plus machen?
Mike Hentz: Über Sponsoring-Einnahmen.
Interviewer: Aber die waren doch nicht an dich persönlich, sondern an das Projekt gebunden.
Mike Hentz: Trotzdem. Die waren auch an das Projekt gebunden. Ich meine, was die Sachen auch gekostet haben. Ich hatte so viel erwirtschaftet über die Piazzettas, dass ich dreißig- bis vierzigtausend Mark Plus hatte.
Interviewer: Also es hat auch Sponsoren gegeben, die wirklich Geld auf den Tisch gelegt haben?
Mike Hentz: Die wirklich das Geld auf den Tisch gelegt haben auch, ja.
Interviewer: Das war dann dein Anteil sozusagen.
Mike Hentz: Das waren meine Anteile von den verschiedenen Strukturen, die ich da hatte.
Interviewer: Und was war das mit MTV? Das habe ich jetzt schon ein paar Mal immer so andeutungsweise gehört, aber keiner will es genauer erklären.
Mike Hentz: MTV fing ja schon sehr früh an. Bei Hotel Pompino waren die ja schon gekommen und hatten unsere Love-Rooms und so weiter direkt kopiert, hatten auch verhandelt. Dann gab es einen Winni Gahlen aus Köln, der wollte, dass wir für sie arbeiten. Winni Gahlen hat damals diese Tortensendung gemacht mit Hella von Sinnen, entdeckt und so weiter. Das war relativ parallel mit Hotel Pompino. Da haben sie viel geklaut von Hotel Pompino. Und dann kam bei Piazza virtuale, kam dann MTV und haben gesagt, ob wir ein Format machen können, mit den Inhalten, die sie wollten. Und da gab es glaube ich ein, zwei Besuche in England von Karel und von Benji und dann waren die auch in Hamburg. Und dann haben wir gesagt, nein, das machen wir nicht. Und wir waren interessiert daran, die Inhalte selber zu kontrollieren und die wollten eigentlich nur unsere Form, die wollten die Technik haben halt. Da kamen mehrere an, aber das war einer, die dann zwei- dreimal versucht haben und das selbst gemacht haben.
Interviewer: So ein Feedback in dem Sinne hat es eigentlich so nie gegeben, das war nämlich auch mein Eindruck, dass dieses Projekt vorbei war und so ein bisschen verpufft ist, weil man eigentlich nicht versucht hat…
Mike Hentz: Das ist ja auch der Grund gewesen, warum ich dieses Feedback wollte, mit diesem Rückzug, sozusagen kreativem Rückzug für uns, ein Stipendium war da ja auch vorhanden, hätten das auch gekriegt. Wir hatten das dann eigentlich erst in Sizilien, so vor zehn Jahren haben wir das gemacht. (unv.) ein Kabelfernsehen-Konzept für Nordrhein-Westfalen – Kiel zu entwickeln und er hat die Reise bezahlt und Geld und wir hatten eine Protokollantin. Dann haben wir, neben den neuen Konzepten, noch ein bisschen Feedback gemacht, so nach zehn, zwölf Jahren oder länger, ein gewisses Feedback. Wobei da sehr viel Verbitterung über die Hannover Geschichte herauskam, weil das ursprünglich als kulturelles Projekt gedacht war und dann über die Steuern dann doch versteuert werden musste. Und da sind sich dann Karel, Salvatore und Benjamin auch gerichtlich in die Quere gekommen. Und da war ich froh, dass ich von allen irgendwie noch Freund war, während die sich prozessiert haben gegenseitig. Und da gibt es Unausgesprochenes.
Interviewer: Und was wäre jetzt dein persönliches Resümee irgendwie mit 28 Jahren, 27 Jahren Abstand? Wie siehst du das heute? Wo war man da vielleicht auch Vorläufer?
Mike Hentz: Also, ich glaube wir waren zu früh. Andererseits bin ich auch wieder froh, dass ich damit nicht mein Geld verdient habe oder Patente gemacht hätte, wo wäre ich denn heute? Also, ich fühle mich wohler so, was ich heute mache. Ich würde jetzt nicht gern irgendeinen Konzern leiten oder… Also, hat mich nie interessiert, da E-Business oder eine Firma zu machen. Natürlich ist es toll eine Infrastruktur zu haben. Natürlich ist es toll eine Sekretärin oder ein ganzes Umfeld zu haben. Es ist mir immer relativ wichtig gewesen, das für die Inhalte zu haben, die einen interessieren. Das haben wir unter unglaublichen Opfern aufrechterhalten können, dass wir für unsere Inhalte eine Infrastruktur gemacht haben. Da ist aber sehr viel Privatleben, sehr viel Lebensqualität draufgegangen, also sehr viel Selbstausbeutung. Würde ich heute nicht mehr so machen, ich würde auch viel mehr Frauen einbauen in diese Struktur. Wobei ich trotzdem da leider ein Vorurteil habe, dass Frauen weniger Risiko als Männer eingehen. Als Karel und ich den letzten Pfennig ausgegeben haben, um irgendwo hinzukommen und irgendetwas zu verhandeln, was noch gar nicht sicher war, wie wir überhaupt zurückkommen und so weiter, das hätte keine Frau mitgemacht, denke ich mir. Und dieses ohne Sicherheit und ohne Boden zu agieren, diese Risikofreudigkeit, die war irgendwie bei Karel und mir sozusagen auch ein Qualitätssymbol, aber ist extrem schwierig bei der heutigen Generation zu finden. Wir sind ja alle nicht finanziell abgesichert in dem Sinne. Also, es ist nicht so, dass wir da so und so viel Geld im Hintergrund hätten und uns mal ein Späßchen erlauben können, sondern… Ich meine Karel hat jetzt ein bisschen Geld gehabt, aber damals nichts gehabt. Also es war kein Backup da. Wir hatten wirklich am nächsten Tag nichts zu essen und trotzdem eben weitergemacht. Und da muss man Maniker sein, da muss man daran interessiert sein. Für was es sich heute lohnen würde, ist eine andere Frage. Es geht um Privaträume mehr als um öffentliche Räume damals. Also, für mich jetzt.
Interviewer: Und jetzt mal abgesehen vom persönlichen Resümee. Wenn du jetzt Piazza virtuale als Ganzes betrachtest, wie würdest du das einordnen? Als soziales Medium beispielsweise.
Mike Hentz: Ich glaube es war ein soziales Medium, es war ein Vorläufer davon. Ich glaube es war ein Vorgreifen diesen Netzwerkgedankens, nicht in der Qualität, die ich mir erwünscht hätte, aber technisch war es dann vorhanden. Piazza virtuale war kein symbolisches Kunstprojekt mehr, sondern ein lebendiges Projekt, das war mir auch wichtig. Und dementsprechend sollte es auch geschichtlich honoriert werden, weil die wenigsten Leute, die damals Medienkunst gemacht haben, haben das, wie ich vorhin sagte, symbolisch gesehen und nicht als real. Uns hat das Reale immer interessiert und das ist sehr schnell geworden und auf das sind wir auch stolz. Schlussendlich, it was Living-Art.
Interviewer: Aber vielleicht mit dem falschen Medium noch, vielleicht war das Fernsehen einfach nicht das richtige Medium, um da Strukturen zu entwickeln, die weiterreichend sind? Ist da etwas dran?
Mike Hentz: Also, bis es Telepathie gibt, als Social Media, wird es ja noch eine Weile gehen. Also da gibt es genug Fantasien.
Interviewer: Eine Sache ist mir gerade noch eingefallen. Wie gesagt, ihr habt da so mit Performances angefangen, die immer so eine sehr stark physische Komponente hatte und plötzlich sitzt man in Kassel vor lauter Monitoren. Hat das nicht auch irgendwie gefehlt, dass mal da irgendwie der Körper eine Rolle spielt oder jemanden anrempeln?
Mike Hentz: Also, ich meine das Körperliche, achtmal durch Europa mit Bus, mit Flugzeug, mit Zug war schon extrem körperlich und dann noch Equipment im Gepäck. Also es war ein spitzen Bodybuilding. Und dann vielleicht drei Stunden am Tag schlafen. Also, körperlich kann ich mich nicht beschweren. Also, ich meine jetzt von Exhausting. Ich saß ja nicht in Kassel da die ganze Zeit vor den Maschinen, das stimmt. Bin ich eigentlich auch froh, sagte ich auch beim Hallo. Drei Wochen hätte ich das nicht ausgehalten, da auf dem Sessel zu sitzen und Kathrin Brinkmann zu sein. Aber gut, ich war auch der Einzige, der vielsprachig war und mit den verschiedenen Mentalitäten von den Ostleuten und den Westleuten, den Italienern eben klarkommt. Fließend Französisch, Englisch, Deutsch, Italienisch, ein bisschen Polnisch, ein bisschen Russisch. Das konnten die anderen alles nicht.
Interviewer: Das waren ja sowieso auch deine Netzwerke natürlich.
Mike Hentz: Es waren vieles meine Netzwerke, es waren die alten infermental Netzwerke, meine Netzwerke und…
Interviewer: Okay. Sind wir…
Mike Hentz: Erstmal bis dahin.