Interview mit Klaus Peter Dencker, 20.02.2019
Interviewer: Gut, lassen Sie uns gleich in Medias Res gehen. Die Veranstaltung Interface hat, glaube ich, 1989 zum ersten Mal stattgefunden, 1992 war dann schon Piazza Virtuale bei der Kasseler Documenta. Können Sie die Situation so um 1990 mal ein bisschen beschreiben? Warum schien Ihnen das zu der Zeit wichtig zu sein, so eine Medienkunstgruppe zu unterstützen und überhaupt in Medien und Kunst zu investieren?
Klaus Peter Dencker: Also wenn ich darf, Herr Baumgärtel, ich würde ein bisschen weiter ausholen, denn man muss die Situation in Hamburg ein bisschen erläutern, in die ich kam 1985, als ich nach Hamburg kam und hier eine Aufgabe in der Kulturbehörde übernommen hatte. Hamburg war zu der Zeit eine Musik- und Theater-Stadt. Das heißt also, sämtliche Förderungen, der gesamte Kulturhaushalt war eigentlich abgestellt auf die Förderung der Theater. Minimal auf die Museen und sehr stark auch auf die musikalische Szene. Und in diese Situation kam nun ein Mensch, der von den Medien kam. Der also wusste, was der Stedl gemacht hatte, was der Medienpark in Köln gemacht hat. Die ersten Überlegungen zum ZKM in Karlsruhe, das hatte ich alles mitbekommen. Und hatte versucht in Hamburg 1985 die Idee eines Medienzentrums, einer ja, dezentralen Medienakademie, habe ich es glaube ich damals genannt, zunächst einmal in der Theorie zu entwerfen um dann zu schauen: Wie lässt sich das praktisch auf irgendeine Art und Weise organisieren? Das heißt, das Zusammenführen einzelner Bereiche, die es ja in Hamburg gab, es gab Studio Hamburg, es es gab die Printmedien, es gab auch Interessen marginaler Art, im elektronischen Bereich schon. Aber das war so gut wie unmöglich. Das heißt, ich habe mir, wenn man so will in der Kulturbehörde, bei meiner damaligen Senatorin Schuchard, die mich zwar geholt hatte und auch wusste, um meine Neigung, eine verdammt große, blutige Nase geholt. Da war nichts zu machen. Was interessant war, war ein Wechsel im Senatorenbereich. Es kam nämlich Ingo von Mönch. Ein Mann, der aus der Juristerei kam, von der FDP war, zwischen CDU und SPD stand, sozusagen und auch nicht alleine regieren konnte, sondern es gab damals eine Koalition. Sodass er auch verschiedene Sachen eben auch durchdrücken konnte und ein Mann, der zuhören konnte, das war das Wichtige. Der hat auf Anhieb begriffen, dass wir in Hamburg nicht nur von den Printmedien leben sollten, sondern dass wir stark zukunftsgerichtet uns mal überlegen sollten, was machen eigentlich die elektronischen Medien mit uns? Und vor allen Dingen, was macht der Computer mit uns? Damals also eine ganz große Fragestellung, weil man immer sozusagen den Zauberlehrling im Hintergrund hatte: Kann es nicht mal sein dass wir alle nicht den Computer beherrschen, sondern irgendwann der Computer uns beherrscht. Das hat er sofort begriffen. Und ich hatte eine Stütze in ihm, sodass ich dann überlegt habe, mal ein großes Hearing im Hamburger Rathaus zu geben. Hatte ihn gebeten, auch dabei zu sein. Er war dann auch dabei, aber er hat sich so zurückgenommen, dass ich praktisch das ganze Hearing versucht habe, auf irgendeine Art und Weise zu moderieren. Und ich hatte alles eingeladen, was ich so kennenlernen durfte, in dieser kurzen Zeit von 1985 bis 1988/89. ’88 war dieses erste Hearing ’89 gab es dann noch mal ein zweites Hearing. Und in diesem Hearing gab es eigentlich schon dann die Mitarbeiter eines zukünftigen Arbeitskreises, den wir Kunst und Technologie nannten. Und dieser Arbeitskreis hat relativ regelmäßig getagt und hat sich überlegt: Was können wir eigentlich machen, um in Hamburg dieses Thema der elektronischen Medien immer unter diesem Aspekt Kunst und Elektronik, Kunst und Technologie, in Hamburg auf irgendeine Plattform zu bringen?
Wenn ich da mal einhaken darf? Dass ein Bürgermeister sowas erstmal gut findet, kann man ja verstehen, weil er denkt, dass Zukunftsindustrie, da gibt’s neue Arbeitsplätze, aber wo kam dieses / Also Sie sind natürlich als Kulturamtsleiter auch der Kultur verpflichtet, aber was war so wichtig an diesem kulturellen Zugang zu dem Thema? Er hätte ja auch sagen können, das ist ein Fall für die Wirtschaftsförderung.
Dencker: Ich korrigiere sie ungern, aber ich war nicht Kulturamtsleiter, sondern ich war der ranghöchste Beamte. Das nannte sich damals leitender Regierungsdirektor. Also ich muss mal ganz ehrlich sagen, dass von Mönch wusste woher ich kam. Und ich konnte ihm deutlich machen, was in anderen Städten schon sehr weit fortgeschritten war. Es war vielleicht die Überzeugungskraft oder ich habe ihn überredet oder wie immer Sie es sehen wollen. Jedenfalls hat er gesagt: „Machen Sie mal!“ Und es konnte ja nicht so sehr verkehrt sein, weil Hamburg als Medienstandort war ja immer im Gespräch. Nur man hat immer gesehen, dass es ein oder ich habe immer gesehen, dass es eigentlich ein Printmedienstandort war. Alle anderen Medien sind hinten runter gefallen. Studio Hamburg hat noch eine gewisse Rolle gespielt, aber eher im Filmbereich und im Zulieferbereich für den NDR, im Fernsehen und so weiter. Das heißt, es ist eigentlich ein glücklicher Umstand gewesen, dass ich diesen Freiraum vom damaligen Senator eben bekommen habe. Und es ist ein weiterer glücklicher Umstand gewesen, dass wir eine ganze Reihe von Mitarbeitern für diesen Arbeitskreis Kunst und Technologie gewinnen konnten, die sozusagen unentgeltlich ihre Arbeitszeit investiert haben, um darüber nachzudenken: Wie können wir hier gemeinsam in Hamburg irgendetwas unternehmen? Und das, was wir dann unternommen haben, war die Entwicklung eines Symposiums. Und dies hieß Interface und die Ausrichtung dieses Symposiums haben wir quasi mit Bordmitteln dann versucht. Bordmittel heißt: Wir haben einen relativ geringen Betrag von der Kulturbehörde gegeben. Wir haben versucht Sponsoren zu gewinnen, wir haben Philipps, wir haben Siemens gehabt. Wir haben sogar den NDR gehabt, der geholfen hatte das Museum für Kunst und Gewerbe hat Räume und einen großen Saal zur Verfügung gestellt, in dem man sich treffen konnte, aber auch einzelne, kleine Räumlichkeiten, in denen man Arbeitsgruppen hatte. Und wir haben dann für dieses Symposium, dass drei Tage dauerte, haben wir uns die Aufgabe gestellt, dass es einerseits ein theoretisches Symposium sein sollte, auf der anderen Seite aber auch ganz viel Praxis da sein sollte. Und ich hatte das ganz große Glück, dass es einen Kollegen gab, mit dem Namen Seez, der eine große Ausstellung zur Holographie gemacht hatte und frei war für eine solche Organisation. Und der hat versucht, einzelne Projekte, die uns angeboten wurden für dieses Symposium so zu schneiden, dass sie also sowohl in das Museum passten als auch in das Gesamtkonzept dieses ersten Interfaces eins.
Das wäre jetzt genau meine nächste Frage auch gewesen: Kann man sagen, dass es in Hamburg zu der Zeit auch so konkrete Anknüpfungspunkte gab? Also Van-Gogh-TV, weiß ich nicht, ob die schon da waren, aber gab’s da so (unv.)? Musste das gebündelt werden?
Dencker: Sie wissen es wahrscheinlich viel besser. Ich habe ja auch vieles wieder vergessen. Van-Gogh-TV ist ja eigentlich eher von außen gekommen. Also ihre ersten Meriten etwa in Zürich und dann in Linz und Ars Electronika und so kam sie dann irgendwann nach Hamburg. Und sind aber in diesen Arbeitskreis dadurch gekommen, weil untereinander natürlich ein bisschen diese, ich sag mal in Anführungsstrichen, Medienszene sich schon kannte. Also man hat mir den Namen Dudesek genannt und ich habe ihn dann eingeladen und er war zum ersten Mal in dieser Arbeitsgruppe Kunst und Technologie und daraus folgten dann viele Gespräche. Also unter anderem auch, wo man eben die später sogenannte Ponton-Gruppe, erstmal war es Van-Gogh-TV nur in Hamburg, unterbringen konnte. Wo sie arbeiten konnten und da haben wir dann eben eine ganz gute Lösung in einem Kunsthandwerkerhaus gefunden. Indem sie unten in der Lobby sich, ich sag immer so eine Art Märzbau, hingestellt haben, der vollkommen labyrintisch war und in dem es also alle Möglichkeiten gab, sich auch zu verstecken. Wenn irgendwelche Offiziellen kamen, um zu schauen, was da passierte. Denn zum Teil haben die dort auch übernachtet, was sie nicht durften und also es war ein ein eine wunderbare Kommune, die sich da plötzlich hineingesetzt hat und auch um sich griff. Denn es war zunächst einmal nur der linke Teil der Lobby, die sie in Anspruch genommen haben und dann wollten sie auch noch in den rechten Teil gehen, weil einfach der Mitarbeiterstab innerhalb dieser Gruppe wuchs und natürlich damit auch der ganze Apparat. Also die ganzen Geräte, die dafür notwendig waren, um dort zu arbeiten. Also kurzum Van-Gogh-TV. Ich nenne jetzt mal die wichtigsten, das waren für mich eben Hentz, Heidersberger, Vanasco und Dudesek. Die sind in dieser AG Kunst und Technologie eben auch sehr produktiv gewesen und haben am ersten Interface dann auch ein interaktives Projekt gemacht. Ich kann mich nicht mehr so recht erinnern, was es war, aber das können Sie ja alles nachlesen in dieser fünfbändigen Dokumentationen, die es zu den Interfaces gab.
Was waren das so für Leute? Wie würden Sie die beschreiben? Denen ist ja wahrscheinlich ein gewisser Ruf vorausgeeilt? Es war ja sehr aggressive Aktionskunst.
Dencker: Ja, Dudesek war ein sehr aggressiver genialer Chaot. Und alle anderen, Heidesberger etwas zurückgenommen und und Mike Hintz war dann so der eher solide, der ja auch an der HFBK dann dann einen Lehrauftrag hatte. Und ja, Vanasco lief immer so ein bisschen mit, also der trat gar nicht so sehr in Erscheinung. Ich würde sagen, es war eine unglaublich liebenswürdige, geniale Chaoten-Truppe, die vieles natürlich nicht durchschaut hat in der Bürokratie, vieles auch nicht durchschaut hat, so im normalen Miteinander, wie man vielleicht dieses oder jenes regeln könnte, um zu bestimmten Ergebnissen zu kommen. Im alltäglichen Leben oder in der Frage: Wie beschaffe ich mir jetzt irgendwelche Materialien oder Geräte? Insofern war Dudesek dann natürlich sehr oft in meinem Vorzimmer, bis ich irgendwann mal meiner Sekretärin gesagt habe: „Also wenn Dudesek kommt, lass einfach die Tür auf und lass ihn rein und wir werden es irgendwie regeln.“
Das ist ja komisch, dass so eine Künstlergruppe, die halt auch so ein Boheme ein Stück weit hat, dass die dann so eine Art Unternehmen gründen. Wie bringt man das so zusammen oder war das auch eine Strategie?
Dencker: Also das kann ich nicht sagen. Das das entzieht sich meiner Kenntnis, wie das entstanden ist, warum es entstanden ist und ob es mit Erfolg entstanden ist.
I: (unv.) jetzt machen die hier ihr Business?
Dencker: Nein, also mir ist das so damals nicht ins Bewusstsein gekommen, glaube ich. Also ich habe eher die Truppe gesehen. Ich habe eher gesehen, was sie gemacht haben. Aus meiner Sicht war das außerordentlich spannend, deswegen, weil ich mich nie für die Produkte selbst interessiert habe, sondern eher für das,was sie taten. Also ich war sowieso auch in in allen anderen künstlerischen Bereichen eher auf der Schiene, dass das Prozessuale viel, viel wichtiger ist und man unter Umständen den Prozess selbst als Kunstwerk sogar bezeichnen könnte. Und dafür waren die eigentlich so ein Paradigma. Also sie haben eigentlich nur bestimmte Vorgaben gemacht, wenn man also die ganzen Sendeformen sich mal anschaut, damit etwas in Gang kam, aber das, was sie dort gemacht haben, das war relativ schwach, könnte man fast sagen, aber stark war, wie sie auf diese Art und Weise diese Interaktivität, dieses Interdisziplinäre versucht haben. Also diese anfänglich, über viele Jahrzehnte hin, sich ausufernde One-Way-Kommunikation zu torpedieren, um endlich mal wegzukommen von dem TED im Fernsehen oder von irgendwelchen Republikanälen und und diesen Dingen, die ja, im Grunde genommen, gar nichts gebracht haben.
Bevor wir auf das konkrete Projekt zu sprechen kommen, Piazza Virtuale, um es nochmal ganz klar gesagt zu haben: Die sind hier ein Stück weit eingeladen worden? Die wurden gewollt?
Dencker: Mit Sicherheit. Eine kleine Anekdote: Parallel zu Interface, gab es auch hier in Hamburg, von Thomas Rigner, der ja ein großes Unternehmen hatte. Er hatte eine große Firma, die in der Elektronik also tätig war. Also Fernsehgeräte und alles Mögliche. Der hatte die Idee, eine große Mediale in den Deichtor-Hallen zu machen. Und da hat es also sehr viele Querverbindungen auch gegeben. Aber diese beiden Interface und Mediale konnte man sehr gut deswegen auseinander halten, weil Mediale eher von der Politik und von den Hamburgern gewollt war. Warum? Weil etablierte Künstler dort ausstellen konnten. Bill Vaiola oder solche Leute, die hat man dort gerne gesehen während Interface, eher etwas war, wo wir gesucht haben: Wo gibt es jetzt vollkommen neue Ansätze? Oder wo gibt es irgendetwas, was was wir dringend verfolgen müssten? Und das war dann immer so ein bisschen suspekt. Das war dann immer so, ich will nicht sagen Underground, aber irgendwo so ein bisschen und die Geschichte, die ich erzählen wollte, ist die: Als wir, ich glaube es war entweder vor oder nach dem Symposium, das weiß ich gar nicht genau, hat es einen Prisma-Preis gegeben, von ich glaube Puliza hieß dieser Mann der eine Computerfirma hatte, der hat diesen Preis gestiftet.
Und das Ganze lief dann in einem Hotel in der Nähe der Kulturbehörde ab. Und die ganze politische Führung war da, der Staatsrat war da und ich war mit dem Rücken sozusagen zum Staatsrat gestanden und der Staatsrat hat dann also in aller Öffentlichkeit erklärt: „Also das, was der Denker hier macht, das ist für mich vollkommen schleierhaft, das hat keine Zukunft und das ist doch Quatsch. Und wenn man sich dann diese Sachen da ansieht, die mit einem Preis ausgezeichnet sind, also was soll das eigentlich? Da sehe ich überhaupt nichts, was spannend ist. Das sind Farben und irgendwelches Gewirre!“ Also er hat sich da äußerst negativ ausgedrückt. Das nur mal, um ein bisschen die Stimmung wiederzugeben. Und in dieser Stimmung musste man natürlich auch immer versuchen zu erläutern, warum das letztendlich auch theoretisch sogar begründbar ist, warum wir diesen Weg gehen müssen und warum wir versuchen müssen dahinter zu kommen, was die Geräte mit uns machen könnten. Und das geht eben nur durch probieren, das geht nur durch durch experimentieren. Das geht nur dadurch, dass sich eben Leute stundenlang meinetwegen auch für nichts mit diesen Dingen befassen, um dann etwas herauszubekommen, das vielleicht ganz spannend sein könnte.
Ganz konkret, was hat Hamburg der Gruppe geboten? Haben die dann eine niedrigere Miete zahlen müssen oder mussten die überhaupt keine Miete zahlen? Sind die in irgendeiner Form gesponsert worden?
Dencker: Also, es war so, dass ich über den Weg der sogenannten Projektförderung gegangen bin. Das heißt, Dudesek hat dann immer bestimmte Projekte eingereicht, die ich dann gefördert habe. Er hat einen Projektplan gemacht, Kosten aufgelistet und da konnte ich dann immer auch aus einem Titel, den ich mit diesem Senator dann auch abgesprochen habe / Den gab es vorher nicht. Also es gab da zum ersten Mal einen sogenannten Medientitel. Und aus diesem Titel habe ich dann solche Projekte fördern können. Und das Zweite war, dass die überhaupt in der Koppel dort ansässig waren, war eigentlich so eine interbehördliche Verabredung mit der Sprinkenhof AG. Das ist die zuständige Behörde in Anführungsstrichen, das ist ja eigentlich keine Behörde, sondern ein Amt. Die also mit großem Wohlwollen, da dann auch, sagen wir mal, geringe Mieten genommen hat und auf diese Weise ein bisschen gefördert hat. Also die Sprinkenhof AG habe ich Gott sei Dank ins Boot bekommen. Die hat da eine Menge Verdienste, dass die dort bleiben konnten und viele Augen zugedrückt wurden.
(….)
Ja, ich klatsche nochmal. Vielleicht noch ein, zwei Worte zu dieser AG Kunst und Technologie, die gehört ja da noch dazu.
Dencker: Also ich habe das natürlich alles wieder vergessen. Aber ich habe mir das hier mal rausgezogen. Ich glaube, ich kann das auch noch einigermaßen lesen ohne Brille. Also es war erst mal Kurd Alsleben. Kurd Alsleben ist ja einer, der an der Hochschule der bildenden Künste war und ein Mann, der lange versucht hat, Arbeiten mit dem Computer herzustellen. Der mit Antje Esken, seiner Partnerin, zusammengearbeitet hat. Also es war ein ganz wichtiger Mann. (Unv.) Marie Bauer war eine Künstlerin. Hartmut Böhme, kennen Sie sicher, ist ein jetzt hier imitiert war an der Universität in Berlin. Genauso wie Horst Bredekamp. Karl Klausberg kam aus Lüneburg, von der Universität Lüneburg. Dann Karel Dudesek, also Stefan von Huene, ein Künstler, der hier in Hamburg wohnte und auch eine sehr große Neigung hinsichtlich der Medien hatte. Bernd Kracke kann ich mich nicht mehr so genau erinnern. Aber Matthias Lehnhardt ist auch ein Professor an der Hochschule für bildende Künste gewesen, der dann später ein eigenes lab gegründet hat. Das (unv.). Und auch dann in der Nachfolgeinstitution könnte man sagen oder im Nachfolgeprojekt, nämlich dem Baltic Interface Net als Projektgruppe für Hamburg dort tätig war innerhalb des Ostseeraums. Dann habe ich hier noch Michael Lingner. Auch ein Professor der Hochschule bildende Künste. Leo (unv.) #00:02:10-1#, das weiß ich nicht mehr, wer das war. Dann gab es noch einen Eckhard Maron, das war ein alter Filmemacher. (unv.) kam wohl glaube ich auch vom Film her. Peter (unv.) wie man ihn auch immer ausspricht, das war ein Mann, der, wie gesagt, für die Holographie sich stark gemacht hat und im Auftrag von Fielmann die Fielmann-Holographiesammlung betreut hat. Also den hatten wir für die Holographie damals gewinnen können. Und auch als Organisator des ersten Interface.
Gut. Also wir haben jetzt die Situation in Hamburg ein bisschen geklärt. Es gibt diese Gruppe, in die man da so eine gewisse Hoffnung setzt und sie dafür eben auch unterstützt. Und dann werden die da zur Documenta eingeladen. Das ist ja wunderbar. (unv.) Gefühl gehabt, die Strategie ist aufgegangen oder wir haben jetzt was erreicht. Wir haben da so ein sichtbares Vorzeigeprojekt irgendwie geschaffen. Oder was war so die Reaktion, als das bekannt wurde, dass die da so ein Mammutprojekt in Kassel machen?
B: Ja, wie Hamburg so war. Also ich habe eine riesen Freude gehabt. Also ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, unabhängig davon, dass ich auch so im Detail nicht mehr weiß, wie die Reaktionen eigentlich waren. Aber so aus der Grundstimmung heraus hat das Überhaupt keine besondere Wirkung gehabt. Das hat keinen Schub gegeben eigentlich in Hamburg, den man erwartet hätte, wo man gesagt hätte, oh je, da haben wir jetzt eine riesen Gruppe und die könnte doch hier in Hamburg. Nein, das genaue Gegenteil ist der Fall. Man muss da immer wieder kämpfen für diese Truppe, dass die dort bleiben konnte, dass die dort arbeiten konnte, dass die dort ihre geringen Fördergelder bekamen. Also das hat das nicht erleichtert. Keineswegs.
Und die sind ja dann wirklich auch physisch nach Kassel umgezogen für diese Zeit der Documenta (unv.) zu betreiben. Da muss ich sagen, (unv.) Hamburger Morgenpost, aus der Lokalausgabe der Bildzeitung gibt es dann schon so Vorabberichte. Also irgendjemand hat es ja wohl doch zu Kenntnis genommen.
Dencker: Natürlich ist es nur Kenntnis genommen worden. Documenta. Aber nicht die Truppe. Sondern Documenta. Einer aus Hamburg ist auf der Documenta. Man muss das immer so ein bisschen sehen, wo ist das eigentliche Interesse. Bildzeitung hat überhaupt nichts mit van Goch am Hut gehabt. Aber wenn da einer aus Hamburg zur Documenta ging, wir in Hamburg, wir sind auf der Documenta. Also eher so in diese Richtung gedacht.
Gut. Und dann gab es dieses Programm, das konnte sich ja jeder bei 3Sat angucken. Haben Sie das getan und wenn ja, was haben Sie so für Erinnerungen daran? Oder was Ihre Reaktion, als Sie es gesehen haben?
B: Überhaupt keine Erinnerung. Weil ich gedacht habe, jetzt passiert genau das, was man eigentlich nicht möchte, dass man davor sitzt, sieht was dort passiert jetzt und man konsumiert. Es ist also ein reines konsumierendes Sehen. Und ich habe also daran überhaupt gar keine Erinnerung. Aber ich habe Erinnerung an den Container in Kassel. Also als ich dort war und gesehen habe, was sie gemacht haben und wie sie gearbeitet haben und so weiter. Das ist mir noch sehr gut in Erinnerung. Obwohl ich sagen muss, das war ein gut durchstrukturiertes und organisiertes Programm, Arbeitsprogramm könnte man fast sagen. Jeder wusste, was er zu tun hatte. Und neben einem gewissen Hallo, Hallo Herr Dencker, schön, dass Sie auch da sind hatte man nicht den Eindruck, dass sie für irgendwas anderes Interesse hatten. Sondern sie waren völlig fixiert auf dieses Experiment, ob das jetzt gut wird oder eben nicht.
Aber vielleicht um da noch ein bisschen anzuknüpfen, wie würden Sie die Atmosphäre da so beschreiben? Denn Sie haben ja vorhin gesagt, eigentlich war das immer so eine etwas bohemistische Skandaltruppe.
Dencker: Naja Skandaltruppe würde ich nicht sagen.
(unv.) da sind ja schon Leute mal (unv.). oder hatten Sie plötzlich das Gefühl, die hat sich (unv.).
Nein. So deutlich hat sich der Wind nicht gedreht. Aber ich habe schon das Gefühl gehabt, dass sie mehr und mehr wussten, was sie wollten. Also mehr und mehr haben sie sich arbeitstechnisch besser organisiert. Das Gefühl hatte ich schon. Und ich hatte auch das Gefühl, dass sie immer sicherer waren in dem, was vielleicht am Ende mal dabei rauskommen konnte. Also von diesem anfänglichen 1989er wir wollen das mal machen und wir haben die Idee und wir sind ja auch nicht ganz blöd und haben schon mehrere Projekt gemacht sowohl in Zürich als auch in Linz. Und haben auch mal so zu sagen den großen Prozess mit dem Stein von quer durch Europa versucht und alles Mögliche. Da ist man dann langsam weggegangen und hat sich doch viel stärker fokussiert, so würde ich das sagen.
I: Und professionalisiert?
B: Professionalisiert auch.
Gut. Also Sie sagen, das Programm hat Sie jetzt gar nicht so interessiert. Also Sie können sich gar nicht daran erinnern. Sie hätten natürlich anrufen(unv.).
B: Nein, interessiert hat mich das schon. Nur ich kann mich wirklich daran überhaupt nicht mehr erinnern. Was auch damit wohl zusammenhängt, dass mich das Endprodukt eigentlich nicht so sehr interessiert hat. Es hat mich deswegen nicht interessiert, weil ich immer der Auffassung war, was ich mal gesehen habe, fande ich uninteressant. Ich habe das mit den Augen des Filmemachers da natürlich gesehen. Und das war für mich völlig uninteressant. Aber ich habe das immer nur so als Mittel zum Zweck betrachtet. Und deswegen habe ich auch keine große Lust gehabt, stundenlang vor 3Sat zu sitzen und mir das wahrscheinlich anzugucken. Also ich habe keine Erinnerung an das so genannte Produkt. Sondern meine Erinnerungen sind eigentlich nur die, dass da etwas unternommen worden ist, was diese ganze Frage der möglichen Interaktion aber auch die Möglichkeit der Vereinnahmung auf beiden Seiten so zu sagen des Kommunikators und des Rezipienten bedeuten könnte. Also das war für mich viel wichtiger.
Das müssten Sie nochmal ein bisschen ausführen, was Sie da meinen mit dem Vereinnahmen zum Beispiel.
Dencker: Also es ist ja so, dass durch die neuen Medien und durch die neuen Möglichkeiten eine ganze Menge passiert mit dem Kommunikationsmodell. Das heißt, das alte (unv.) Kommunikationsmodell ist ja längst per du. Weil wir sowohl auf der einen Seite, das heißt also dem Sender, und auf der anderen Seite dem Rezipienten vollkommen neue Beziehungen haben. Das heißt also, wenn der Rezipient gleichzeitig Sender sein kann und der Sender gleichzeitig auch wieder Rezipient sein kann, dann stimmt das Modell ja schon nicht. Dann muss es ja irgendein Kreis sein und es kann nicht mehr diese so genannte waagerechte Beziehung geben zwischen dem einen und dem anderen. Und wenn es dann auch so ist, dass das Objekt als Objekt schon nicht mehr interessant ist sondern praktisch nur noch der Prozess oder nur noch das, was zwischen diesen beiden passiert.
Das war jetzt nicht schön, dass ich Ihnen da jetzt in das Wort fiel. Ich habe auch Hustenbonbons dabei. Aber das ist interessant. Also sobald ich das Bonbon ausgepackt habe würde ich Sie bitten, da nochmal anzusetzen.
Dencker: Also dann würde ich Sie einfach mal bitten, dass Sie einfach mal eine Publikation ansehen, da geben ich Ihnen nochmal den Titel, da habe ich einen längeren Beitrag geschrieben zur Entwicklung der Kommunikation. Und das ist in (unv.) die Frage, wie hat sich der Sender verändert, wie hat sich der Rezipient verändert, wie hat sich die Message verändert, was passiert in diesen Relationen, in dieser Dreiergeschichte, die also längst keine Dreiergeschichte ist, sondern wo dann ganz ganz viele andere Faktoren zwischen diesem alten System, das (unv.) #00:11:36-1# irgendwann mal aufgestellt hat, eine ganz gewichtige Rolle spielt. Und das kann ich Ihnen jetzt hier so im Einzelnen nicht mehr erzählen, weil ich auch vieles wahrscheinlich wieder vergessen habe. Aber ich weiß, dass das ein entscheidender Punkt war, der mich damals sehr beschäftigt hat. Und ich habe sogar ein neues Kommunikationsmodell entwickelt. Dass Sie am Ende dieses Beitrags dort finden. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mich ein bisschen vorbereitet, hätte das nochmal gelesen und Ihnen vielleicht genauer erzählen können. Aber das kann ich jetzt nicht mehr. Dafür bin ich zu alt.
Es gibt ja heute diese Internet-Angebote wie Facebook oder Twitter, die als soziale Medien bekannt sind. Würden Sie sagen, dass van Gogh TV oder Piazza Virtuale, das ist schon so ein soziales Medium in dem Sinn gewesen ist?
Dencker: Das ist jetzt richtig schwer, weil ich glaube, dass van Gogh TV ein bisschen was anderes vorhatte. Ich glaube, dass das auch bei Twitter oder in all diesen sozialen Medien, dass es da wiederum fast nur eine relativ normale Kommunikation ist. Das heißt, ich projiziere mich auf eine Plattform, die mir angeboten wird. Und bekomme zwar eine Rückmeldung von einem anderen wieder, aber das ist auch eine einfache Form der Kommunikation. Während durch die verschiedenen Medien, die van Gogh TV eingesetzt hat, es auch ganz unterschiedliche Kommunikationsformen gegeben hat. Und ein ganz anderes Netz an Kommunikation dort entstanden ist. Und damit auch eine ganz andere Art und Weise dessen passiert, was mit den Menschen, die in diesem Netz dann waren, gemacht worden ist und was sie plötzlich für Möglichkeiten hatten, entweder kreativ zu werden oder miteinander zu denken oder zu fühlen oder wie auch immer. Also wir haben das gemerkt, als wir das Baltic Interface Net aufgebaut haben mit den einzelnen Labs und wir die Aufgabe ausgegeben haben, dass jedes einzelne Lab im Ostseeraum Tools entwickeln soll. Und diese Tools sollten so geeignet sein, dass man bestimmte Dinge schon produzieren kann, aber nicht auf die alte herkömmliche Weise. Also wenn ich in die Landschaft gehe und Filme, dann habe ich zwar einen Film und den kann ich zeigen, das möchte ich eigentlich nicht. Sondern ich möchte ein Bild transportieren in einen Text, ich möchte einen Text transportieren in Musik, ich möchte auch zwischen, also interdisziplinäre Dinge produzieren können und schauen können, was kommt jetzt dabei raus, was schaffe ich eigentlich an einem neuen vielleicht Gattungsmodell. Also so, wie wir das in dem alten Gattungsmodell hatten, also Literatur, Musik, bildende Kunst und sich neue Zwischenbereiche gebildet haben wie kinetische Poesie oder visuelle Poesie oder musikalische Grafik und ähnliches, so haben wir gedacht, müssten auch solche Tools so entwickelt werden, dass man auch solche Zwischenbereiche vielleicht gewinnen kann um dadurch auch neues herstellen zu können. So. Und das hat, glaube ich, mit dieser einfachen Präsentationsform oder dieser einfachen Kommunikationsform, wie bringe ich mich jetzt zugegeben über PC oder über Handy oder über was auch immer, jetzt auf eine bestimmte Plattform und wie reagiert diese Plattform beziehungsweise Leute, die das sehen, jetzt wieder auf mich. Das ist mir zu einfach. Und das hat, glaube ich, nichts mit dem zu tun, was van Gogh TV damals vorhatte.
I: (unv.) letzte Frage zu stellen (unv.). heute aus von diesen Aktivitäten (unv.) also mehr als ein viertel Jahrhundert Distanz sich nochmal angucken?
Dencker: Oh mein Gott, ja. Ich habe mich ja nun völlig zurückgezogen auf meine eigene Arbeit und habe mich damit nicht mehr in den letzten Jahren befasst. Und das, was ich so zu sagen für mich entschieden habe, ich bin in keinem einzigen sozialen Medium vorhanden. Ich arbeite meine Arbeiten analog. Ich habe damals schon, ich war der erste, der filmische Dokumentation mit einer so genannten EB, also mit einer elektronischen Aufnahmeeinheit, hieß damals elektronische Berichterstattung, gemacht habe. Große Filme auch sogar außerhalb von Räumen, was sehr sehr schwierig war. Man konnte mit der EB im Innenraum natürlich arbeiten aber nicht außerhalb. Aber wir haben das gewagt. Bin ich nach drei, vier Filmen, die sogar bepreist waren und in der ARD hoch gelobt waren, bin ich sofort zum Filmmaterial zurückgegangen, weil mir das haptische gefehlt hat und ich ganz anders mit dem Zelluloid arbeiten konnte. Und das ist im Grund bei mir geblieben. Das heißt also, ich hätte leicht alle meine Arbeiten im Bereich der visuellen Poesie mit dem PC machen können. Sagen wir mal mit einem Hundertstel von Zeitaufwand dessen, was ich benötige, um das hinzubringen. Aber es ist dann eben eine ganz andere Form. Mit anderen Worten, Sie haben dann eben hier eine Dinosaurier vor sich, der letztendlich eine völlig andere Generation ist und sich dann eben am Ende nicht mehr mit diesen Dingen befasst hat, obwohl ich es in den Neunzigerjahren sehr sehr spannend fande. Das sogar gelehrt habe an der Uni in Trier. Aber mich dann, nachdem das irgendwo alles zu Ende war, die Lehre zu Ende war, Hamburg zu Ende war und ich mich eben ganz auf meine eigene Arbeit konzentriert habe, sind eben so zu sagen die Roots durchgeschlagen und ich habe dann mich also nicht mehr mit diesen Dingen so sehr befasst. Und es tut mir leid, ich kann Ihnen da keine Auskunft mehr geben. Und da müssten Sie dann wirklich jüngere fragen und die, die in diesem Bereich heute arbeiten, ob da wesentliches passiert ist oder nicht. Also wenn ich meinen Sohn sehe, der mich immer zu den neusten Handy, er war ja schon froh, dass ich mal ein iPhone mir zugelegt habe, aber jetzt gibt es ja was viel besseres und das müsste ich machen. Und weißt du, da gibt es tolle Tablets und da musst du gar nichts mehr machen, du musst nur davor sitzen und kannst alles organisieren und so weiter. Also dann sage ich mein lieber Andreas, mach du das mal auf deine Weise. Das werde ich also so, glaube ich, nicht mehr hinkriegen.
I: Gut. Dann bedanke ich mich für das Gespräch. Ja, der Mike Hentz malt ja auch wieder nach alter Väter Sitte mit Pinseln auf Leinwänden.