Interview mit Karel Dudesek, 14.04.2018
Siehe auch: Die Piazza
Karel Dudesek war Mitgründer der Künstlergruppen Minus Delta t, Ponton und Van Gogh TV und lebt heute als freier Künstler in Wien.
Interviewer: Also wir versetzen uns mal zurück in diese… Sommer, der Piazza virtuale 1992 bei der Documenta. Ich würde mir gerne so ein bisschen erzählen lassen, wie das abgelaufen ist, wie da so ein durchschnittlicher Tag aussah. Fangen wir vielleicht einfach damit an wo ihr da untergebracht wart.
Karel Dudesek: Also wir haben in der Nähe von Kassel ein Haus gemietet, ein ganzes zweietagiges Haus. Da waren ja im, wenn ich richtig mich erinnere, so im Turnus neunzig Leute am Arbeiten. Und dann hatten wir in Kassel selber Wohnungen angemietet, wo wir gewohnt haben. Also diejenigen, die auf Abruf oder in Emergency sein mussten, die haben in Kassel, also im Nahbereich der Container City, weil man wusste ja nicht was da passiert, gewohnt. Und ja, und die anderen, also die so Tagesbetrieb oder Graphik oder Sound, die sind halt… Computer, die man back and forward.
Interviewer: Und wann ging da so der Arbeitstag los? Oder würdest du das als so einen Arbeitstag bezeichnen und hatte das gewisse Routinen, oder war das jeden Tag aufs Neue überraschend?
Karel Dudesek: Nein, das strukturierte sich nach den Satellitensendezeiten, weil die Satelliten wurden zweimal am Tag geschaltet. Ich glaube, am Vormittag oder frühen Nachmittag war der Olympus. Das war so ein Spezialsatellit von der deutschen irgendwas Gesellschaft. Und dann hat da, das andere war ZDF, 3Sat und die hatten ihren eigenen. Und das waren feste Slots. Da waren… Videostandleitungen wurden geschaltet. Also das ging so wie: ein, zwei, drei, fertig, wir sind drüben. Und danach wurde das Ganze getaktet. Also Vorbereitungszeit zum Beispiel jetzt die Graphik, wenn die modifiziert werden musste, oder überarbeitet werden musste oder so, hat das im frühen Vormittag gemacht. Testlaufs und so weiter. Und dann unten der, auf der Piazza selber, der Sozialbetrieb. Also weil da viel Besuch kam, da war das Café und das war am Vormittag offen und es ging eigentlich bis spät in die Nacht. Und je nachdem wie die Sendezeiten, ich glaube, die 3Sat-Sendezeiten haben ab und zu mal variiert bis spät am Abend. Also man war dann, also bis über die Mitternacht, da beschäftigt und hat dann nacharbeiten müssen, oder es gab zwischendurch Besprechungen. Also Teambesprechungen, falls es Probleme gab. Es gab technische Besprechungen. Es gab Sendepläne, die durchdiskutiert wurden und geplant wurden. Und ja, und dann gab es Termine und et cetera, et cetera. Also so war mehr oder weniger der Arbeitsablauf.
Interviewer: Ja. Aber ich hatte mir das eigentlich so vorgestellt, dass auch sehr viel Nachtarbeit da involviert war, denn die Hauptsendezeit auf 3Sat war ja nach Mitternacht.
Karel Dudesek: Ja, klar. Also das, wie gesagt, das hat sich nach dieser Sendezeit (…) sortiert, oder zurechtgerückt und das ging immer, (oder?) eins, zwei. Aber man darf nicht vergessen, das war sehr Energieaufwand. Das heißt, die Leute waren auch froh, wenn das nicht zu lange ging. Also es musste immer einer da schlafen als Security. Ja, da in den, ein Container war für die Nachtschicht. Oder es waren Leute, die mussten tatsächlich irgendwas reparieren, oder einer in der Technik, oder in den Graphiksoftwareprojekten und das dann nacharbeiten.
Interviewer: Wie würdest du so die Arbeitsatmosphäre beschreiben? War das so gut gelaunt und in die Hände gespuckt, oder hat der Stress auch seine Auswirkungen auf die Atmosphäre gehabt?
Karel Dudesek: Naja, also das war, natürlich war das sehr stressig. Weil A sehr mühsam und B war das auch kompliziert. Also man wurde da in so ein Korsett gesteckt von… was die Maschinen halt abgefordert haben. Also da war nicht irgendwie von Flexibilität oder irgendwas. Das war eine fast militärische Organisationsstruktur. Also das, wo die Technik herkommt, so manifestiert sie sich. Also dann auf Sendung hat sich das etwas gelockert, auch mit der Erfahrung. Aber da war sehr, am Anfang war da sehr viel Nervosität und sehr viel Tension und sehr viel Aufregung. Weil man wusste ja auch nicht, im Gegensatz zu den früheren Van Gogh TV Projekten, sind da nicht so Fauxpas von den Leuten, sind da kommuniziert worden. Ja, also das war…
Interviewer: Vom Publikum?
Karel Dudesek: Ja. Das war alles sehr zivilisiert, ohne… Wir haben ja die Zensur ausgesourct an das Publikum. Die konnten selber zensurieren. Ja, also es gab eine Taste und wenn einer… was eigentlich sehr selten vorkam. Also es war sehr, sehr stressig für viele.
Interviewer: Da mit der Zensur da müssen wir einhaken. Ich dachte eigentlich, das war die Aufgabe von Ann Kathrin Brinkmann. Das sieht man ja auch bei manchen von den Aufnahmen, dass die da mit so einem roten Knopf sitzt, für den Fall, dass…
Karel Dudesek: Naja, das war die rechtliche Auflage die die Öffentlichen-Rechtlichen haben, irgendwo versteckt sitzt einer und kann jederzeit… Ich weiß gar nicht, ob das getürkt war, nur, dieser Knopf. Aber…
Interviewer: Ich glaube nicht.
Karel Dudesek: Ich weiß es nicht, aber auf jeden Fall war… irgendwo in diesem System saß einer der das beobachten musste. Und der konnte zu jeder Zeit die Sendung kappen und dann kam ein Pausenbild, ja? Also früher war das, was weiß ich, haben die irgendeinen Pfarrer den Job gegeben, der ZDF. Das war, als wir in Frankfurt was gemacht hatten, da saß ein Pfarrer und hat sich das angehört. Und dann waren das halt Rundfunk- und Fernsehleute. Oder dann wurde einmal ein Intendant verdonnert, weil da so viel passiert ist. Aber es ist nie irgendwie abgeschaltet worden, so viel ich das weiß.
Interviewer: Was waren denn so Entgleisungen, an die du dich erinnern kannst?
Karel Dudesek: Naja Entgleisungen, hauptsächlich, wenn da Respektlosigkeit gegenüber Altersunterschieden, die sich da manifestiert haben. Also sagen wir eine etwas ältere Generation gegenüber den jungen und wie es da wäre. Also die Jungen gegen die Älteren dann. In der Piazza virtuale, glaube ich, war das nicht so extrem, aber in anderen Medienprojekten, die wir gemacht haben, haben natürlich die Linken und die Rechten versucht ihre Propaganda darüber zu disseminieren. Und wir haben das aber nicht unterbunden, sondern haben Konditionen gestellt. Zum Beispiel, dass die das singen müssen und nicht sprechen dürfen. Also und wenn die das nicht durchgehalten haben das Singen, dann haben wir das gestoppt. Also wir haben denen die Kondition gegeben: Ihr könnt sagen was ihr wollt, aber ihr müsst das singen. Ja und früher gab es halt diese Bildzeitungstitel „Tötet Kohl“ und was weiß ich alles, was da war. Aber das passierte bei der Piazza überraschenderweise nicht.
Interviewer: Warum?
Karel Dudesek: Weil die, also die Piazza war so ein, sehr viele sagen, das war so ein schwarzes Loch. Das sagt an sich nichts, aber wenn man da ein bisschen nachdenkt was dahinter ist, das ist dieses, der Mensch und das Verhältnis zu dem Medium ist ja ein sehr schizophrenes. Warum er Fernsehen schaut. Und das, was da war, hat dieses schwarze Loch also eher nicht kaschiert, oder das hat da keine Ablenkungsmanöver gegeben. Also die Leute sind irgendwo reingefallen und mussten selber auf ihren Füßen und Händen und sprechend und hörend und sehend irgendwie weitergehen. Für einige war das ziemlich einfach. Für viele war das eine richtig tiefe körperliche Erfahrung, und die kam nicht über ein bestimmtes Wort hinaus. Und ich glaube, das hat die Leute selbst mit sich selbst viel mehr beschäftigt als jetzt zu sagen, ja die durften so und so und denen möchte ich das und das und das machen. Also es war, ich glaube, das war mehr psychisch und mehr, das ging denen schon an die Leber, wenn ich das so sagen kann.
Interviewer: Gleichzeitig hat man natürlich da so eine offene Plattform, wo es erst mal keine Regeln gibt. Und ein Publikum das in die zehn-, wenn nicht hunderttausende geht. Und wie man heute bei Facebook, oder bei den Sozialen Medien sieht, reizt es ja manche offenbar schon zu trollen und zu beschimpfen, sich aus dem Fenster zu hängen und (schlecht zu reden?).
Karel Dudesek: Ja, gut. Aber der Unterschied ist, dass du ja im Fernsehen, wenn das Fernsehen live bist, bist du derjenige… bist du ja fassbar. Also erfassbar als Gesicht in Video, oder als Stimme. Und dadurch, dass das noch dazu interaktiv war, konnte man direkt antworten und die Frage stellen: Ja, wieso denn, soll der? Und warum machst du das, oder wieso? Und so weiter und so fort. Was bei Facebook ja nicht stattfindet. Sondern das ist alles postwendend. Das wird gepostet und dann ein paar Sekunden später kommen die Antworten. Manchmal sieht derjenige das gar nicht, oder später das, was geantwortet wird. Also das ist ja der große Unterschied zu was wir da gemacht haben, zu den viele Jahre später heraufkommenden unsozialen Medien. Die sind A nicht live, die sind B nicht interaktiv und die Leute erfahren da ja nichts direkt. Also es gibt kein direktes emotionales Feedback. Also sei es Tragik, oder sei es Humor, oder sowas. Das gibt es nicht.
Interviewer: Lass uns doch mal, ich habe hier so eine Liste gefunden von den verschiedenen Sendungen oder von den Sendeblöcken. Vielleicht können wir das mal durchgehen und du erzählst mir einfach was dir dazu einfällt, oder woran du dich erinnerst. Da ist zunächst mal, das ist alphabetisch geordnet, das Atelier, zwei Telefonbenutzer malen zusammen ein Bild. Woher kam das und wie hat sich das in der Sendung dargestellt?
Karel Dudesek: Also das war die naivste und banalste Umsetzung, die möglich war damals. Touchdown-Signale auf Computer-Software zu docken und dass die graphische Effekte erzeugt. Und die graphischen Effekte waren quasi Linien, die man nach rechts oder links Kurven ziehen konnte, Farbenwechsel, et cetera, et cetera. War ein bisschen so eine Anspielung an die Kunst und da konnten zwei Leute zugleich, nein, vier glaube ich. Waren da vier, oder zwei?
Interviewer: Zwei.
Karel Dudesek: Zwei. Zugleich malen und die konnten sich zugleich unterhalten. Also der Voice war da drin auch. Und das war so ein kontinuierlicher Fluss von Bildern, der entstanden ist. Das war es eigentlich mit dem Atelier. Und die wurden… das waren sehr, sehr banale, naive Visualisierungen.
Interviewer: Nun kommt ihr ja aus der Kunstszene. Der Kunstfreund sagte natürlich ganz schnell, das ist ja banal. Also wurde ja auch… War das nicht auch für euch ein Problem, dass da eure eigene Sozialgruppe sozusagen da sich sehr leicht darüber erheben konnte?
Karel Dudesek: Naja, also das Projekt per se war ja in so einem permanenten Spannungszustand. Also auf der einen Seite die rigide und sehr coole Idee. Also dass wir hinter den… die Macher sind dahinter, überhaupt nichts machen. Also sogar so weit, dass wir nicht mal reden. Also nicht mal kommunizieren mit dem Zuschauer. Also den Zuschauer nicht unterhalten. Und auch nicht den Zuschauern ein Gateway geben für Themen und so weiter. Das war die eine extreme Idee. Und die andere extreme Idee war der performative Charakter. Also das Entertainment oder die Darstellung in akustisch, oder visuellen Effekten zu füllen. Also wie das Fernsehen an sich ist. Und in diesem Spannungsfeld ist das immer wieder hin und her gebounct. Also hat dann so, auch im Team und unter den Kollegen, zu Spannungen geführt. Also der Benjamin ist ja eher für das rigide Konzept gewesen. Das war ja seine Idee. Und Maik und ich und Salvatore kamen so aus dem performativen Charakter. Und Salvatore eher auch aus dem kommunikativen her. Und wo das Medium dann eingesetzt worden ist, halt doch noch die Hand zu reichen und zu führen. Und rein von der Ästhetik und von der künstlerischen Seite war es, dass… Darum haben uns ja die Videokünstler nicht gemocht, weil es gab keine Videokunst da drin. Also die Ästhetik der Videokunst. Lichtspiel, erzählerische Strukturen, Geschichten erzählen, das gab es nicht. Sondern es gab halt nur Anwendungen, die dann katalysiert worden sind und wo dann etwas daraus entstanden ist, oder nicht. Das haben wir ganz wenig gesteuert. Also es gab Themenvorgaben wie zum Beispiel diese Forschungsschiffe und das ist eine Konfiguration gewesen, wo es Konzentration gab eben auf das Thema, wo eben das Signal reinkam bei uns.
Interviewer: Nächster Sendeblock. Der Beichtstuhl, ein meditativer Ort zum Beichten, eine Telefonleitung zum Beichten aller jugendfreien Sünden. Grüße an Tante Anna wurden mit Zensur geahndet.
Karel Dudesek: Naja, also der Beichtstuhl war tatsächlich so etwas wo kein Diskurs stattfand, wo keine Kommunikation stattfand.
Interviewer: Immer nur ein Anrufer?
Karel Dudesek: Da war ein Anrufer und im Beichtstuhl, ich sage mal, man konnte beichten zu den hunderttausenden Leuten. Eigentlich eine sehr schöne Anwendung.
Interviewer: Gibt es jetzt im Internet auch wieder.
Karel Dudesek: Ja.
Interviewer: Solche anonymen Foren wo man seine Sünden loswerden kann.
Karel Dudesek: Ja, und sehr viele haben das natürlich zynisch gesehen. Sehr viele haben das verurteilt. Aber manche haben das auch versucht, entweder pseudo, oder richtig ernst zu nehmen. Das kann man ja sehr schwer beurteilen (von der Leitung?)
Interviewer: Wie lange war so ein Sendeblock?
Karel Dudesek: Kann sein, das war alles strukturiert nach den, die Zeitschaltuhr der Computer hat jedem Anrufer eine bestimmte Zeit geben. Ich weiß es nicht mehr. Und dann wurde der automatisch abgeworfen und der nächste wurde durchgeschaltet.
Interviewer: Und was macht man, wenn niemand anruft?
Karel Dudesek: Das war eigentlich nicht der Fall.
Interviewer: Und was macht man, wenn jemand anruft und nichts sagt?
Karel Dudesek: Ja, dann hat der nichts gesagt. Also das, wir haben den nicht rausgeschmissen, wenn er nichts gesagt hat. Also man hat zu mindestens den Atem gehört von dem.
Interviewer: Coffee House, die angesagte Location auf der Piazza virtuale, (glühen?), diskutieren, Fun haben, mit vier Telefon- und Modemleitungen, einer Faxleitung und Entrypoints.
Karel Dudesek: Also das ist so etwas eher facebookartiges gewesen, schon im Vorfeld. Ja also die Leute haben sich dargestellt, haben gechattet und haben irgendwelche Ideen, irgendwelche Themen, irgendwelche Zustände von sich gegeben und haben das in dieser Konfiguration… Und da wurde auch kommuniziert von unserer Seite rein.
Interviewer: Wenn man sich das einfach mal visuell anguckt, hat man da unten dieses Chatfenster. Dann hat man links und rechts ein Fenster. Warum ist das eigentlich, der Bildschirm, da so zerlegt worden. Ist ja auch ein bisschen unübersichtlich, oder…
Karel Dudesek: Naja. Also es gab diese links und rechte Teilung, weil Bildtelefone, Faxe und Standbildvideos und auch die Entrypoints sich reinschalten konnten. Die Entrypoints konnten sich übrigens, glaube ich, immer einschalten, die in Kassel waren. Und dann war noch…
Interviewer: Kannst du erklären, was Entrypoints sind?
Karel Dudesek: Entrypoints waren so Edelstahl-Metallkästen mit Fernseher drinnen, eine Kamera und einen roten Knopf und einer Videoleitung zu unserem Sendestudio. Und wenn man da draufgeklickt hat, auf den großen roten Knopf, war man auf Sendung.
Interviewer: Und die standen im öffentlichen Raum in Kassel?
Karel Dudesek: Die standen im öffentlichen. Die wurden sehr viel benutzt.
Und dann gab es Kameras die so cctv-mäßig verteilt waren. Eine am Haupteingang der Documenta-Tür, am Fridericianum und dann… Und darum wurde das so aufgeteilt, weil sonst hätte man das nicht mehr lesen können. Oder man hätte das, das wäre zu briefmarkenartig.
Interviewer: Interactive Piazza People, das Forum für Partys und Veranstaltungen auf der Piazza in Kassel. Legendär sind die italienische Nacht und die Party der komplett versammelten Olympus Fans. War das eine Sendung, oder war das?
Karel Dudesek: Nein, das war eine Sendung. Die lokalen Pizzabäcker haben also ab und zu mal, oder ich weiß nicht wie, das hat Salvatore organisiert. Kamen zu Besuch und haben da ihre… weil wir nach Italien gesendet haben. Und so haben sie ihre Familien grüßen können. So haben sie mit ihren Familien oder Eltern, Großeltern. Und das haben die benutzt und haben zugleich ihr Essen gebracht und serviert, et cetera. Und dann waren viele Fanclubs und die sind mit Autobussen, oder mit VW Bussen, oder auch mit Zug, nach Kassel gekommen und haben uns besucht. Das waren die Olympus… Das war eine ganz spezielle Kaste von Zuschauern die, weil nicht jeder hat diese Spezial-Satellitenschüsseln gehabt und ausgerichtet auf den Olympus-Satelliten.
Interviewer: Das waren Leute, die das nicht bei 3Sat gesehen haben, sondern als direkten Stream?
Karel Dudesek: Ja. Und die kamen und haben sich da so wie zum Camping auf einem Campingplatz getroffen. Haben eventuell im Campingbus da hinter der Piazza geschlafen und kamen dann. Und die haben dann auch während den… davor und danach auch immer kommuniziert. Also wir kannten die auch. Die kamen mit der Familie, wollten den Ort mal sehen wo das stattfindet, wollten die Leute dahinter kennenlernen. Und das war das Real Life Social Mingeling mit den Zuschauern, oder mit den lokalen Leuten. Es kamen die Lokalen zusammen und die Leute, die von der Distanz herkamen. War eigentlich sehr schön.
Interviewer: Gleichzeitig war es ja schwierig durchzukommen. Also es klingt ja so ein bisschen, also ob da auch so eine virtuelle Gemeinschaft entstanden ist. Aber wie stabilisierst man das, wenn es eine reine Glückssache ist, dass man durchkommt. Und ist das dann eher über die Mailbox gelaufen, oder?
Karel Dudesek: Nein, nein. Das ist reines… das war so hintereinander Schaltungen, wenn ich das also richtig in Erinnerung habe. Also Sendung hat angefangen, dann ging das von eins bis hunderttausend.
Interviewer: Nein, ich meine, wie haben diese Fanclubs sich konstruiert?
Karel Dudesek: Ach so.
Interviewer: Bei Facebook kann man eine Gruppe gründen und hier war es so eine Glückssache?
Karel Dudesek: Die haben sich, über Telefon haben die sich koordiniert, glaube ich.
Interviewer: Haben ihre Nummern ausgetauscht?
Karel Dudesek: Ja. Also die haben sich… ich bin, hallo, ich bin von da. Hallo, ich bin von da. Ich bin der Ernst von da und ich bin der Otto von da und ja, dann treffen wir uns doch mal in der Kneipe und schauen gemeinsam. Also die haben dann auch so Gruppen gebildet, die gemeinsam geguckt haben. Und dann haben sie wahrscheinlich geplant, ja lass uns doch mal gemeinsam hinfahren. Und das ist natürlich was sowas ausmacht, ja? Was sehr mühsam ist, weil du hast ja dann nicht nur den Sendeablauf, nicht nur den Betrieb, sondern hast dann auch den Zuschauer, der da ist vor Ort und demand. Also mit dir zu tun hat. Also das wurde alles informell, es hat niemand von uns organisiert. Die haben sich das selber…
Interviewer: Und im Fernsehen gibt es dann so eine Zuschauerredaktion, die solche Leute betreut. Und hier musst du das alles in einer Person machen sozusagen.
Karel Dudesek: Naja, es gab eine Hotline. Also wir haben so eine Hotline gehabt. Die konnte man anrufen, wenn man eine Frage gehabt hat, oder irgendwelche, irgendwas wissen wollte. War eine Nummer freigeschaltet und die war dauernd am Klingeln, weil da immer irgendwelche Leute was wissen wollten.
Interviewer: Also das Interactive Classic Orchester, vier klassische Instrumente, die über die Telefontastatur gespielt werden konnten und eine Singstimme, was ist dazu zu sagen?
Karel Dudesek: Da waren Synthesizer, die waren also ebenerdig und die waren auf das Sendestudio verkabelt und es gab eine Softwareapplikation, die also die Touch Tone, die Tasten der Telefontastatur umgewandelt hat in Instrumente. Und das konnte man rhythmisch bedienen, oder lang drücken und dann war der Ton eben gezogen. Und da haben sich also viele Leute zusammengetroffen und konnten singen. Also Voice gab es auch. Und das war auch sehr interessant, weil da zum ersten Mal das Entertainment vom Zuschauer kommen musste. Ohne Anleitung, ohne Casting, ohne Vorgaben. Und das fing natürlich sehr zerbröselt an bis zu irgendwelchen Delirien, ja wo einer reinsingt oder reinschreit oder… Also hat ja auch seine eigene Ästhetik, die man… ja.
Interviewer: Man muss sich auch immer überlegen, Leute, die um 3:00 Uhr morgens beim Fernsehen anrufen, sind vielleicht auch nicht mehr so im richtig taufrischen Zustand. Da waren ja bestimmt manche auch betrunken und übermüdet und so weiter und so fort.
Karel Dudesek: Das weiß ich nicht. Ja.
Interviewer: Hat sich das niedergeschlagen in den Beiträgen?
Karel Dudesek: Eigentlich nicht. Also ich habe da keinen Alkohol oder anderes… Nicht, dass ich mich erinnere. Ich kann mich täuschen. Aber das wissen vielleicht andere besser.
Interviewer: Wer hat diese ganzen Applikationen denn programmiert?
Karel Dudesek: Wer die programmiert hat? Da gab es, glaube ich, drei Leute. Wolfgang und einer hieß (Hecker?). Also das haben drei Leute das zusammengeschraubt da alles.
Interviewer: Und die hatten Vorgaben, also programmiere uns mal so ein Atelier?
Karel Dudesek: Ja, es gab, also wie gesagt, die einzelnen Teams hatte immer Sitzungen und mit der Grafik und mit den Programmierern. Und die Grafiker haben gesagt, wir machen das da, da und da. Und das muss solche Parameter noch haben, dass da zum Beispiel ein Fax reinkommt, oder ein Videostandbild. Und das haben die dann implementiert.
Interviewer: Marketplace, kaufen, verkaufen, tauschen, handeln, vier Telefon- und vier Modemleitungen und eine Faxleitung wetteifern um das beste Angebot nur auf FAB und Olympus. Klingt so ein bisschen wie Ebay, vor Ebay.
Karel Dudesek: Genau. Das war ganz einfach verkaufen. Von Marmelade bis alten Schuhen, bis irgendwelchen Sachen per Fax angeboten und das war eigentlich nur das. Es war ein Market, der da am Kochen war.
Interviewer: Und im FAB, bei FAB, was ja ein lokaler Berliner Sender war, hatte man natürlich den Vorteil, dass es auch leicht war die verkauften Waren dann abzuholen.
Karel Dudesek: Distribuieren. Ja. (lacht)
Interviewer: Aber bei Olympus, das war ja zumindest Deutschland. Oder auch europaweit?
Karel Dudesek: Das weiß ich nicht, wie die sich organisiert haben. Oder, immer jeder, der was verkaufen will, hat bestimmt eine Telefonnummer hinterlassen und hat sich dann entweder nach der Sendung oder nach seinem Slot mit demjenigen, der Interesse hatte, womöglich in Verbindung gesetzt. Aber es kann auch sein, dass da viel Fake Geschäfte stattfanden, die eigentlich nur der Vorwand waren auf Sendung zu sein. Und manche Leute haben das ignoriert und haben gesagt, ja, ich mache Marmelade, dabei hatten sie keine Marmelade.
Interviewer: Wäre jetzt meine nächste Frage gewesen. So was zieht ja gerne Betrüger und lichtscheue Existenzen an. Kannst du dich da an irgendwas konkret erinnern?
Karel Dudesek: Nein, also ich nicht. Ich habe da keine Dramen, keine kriminellen Energien irgendwie mitgekriegt, die da… Ich meine, dass die bei den Radioprojekten, war das früher so, dass wir ganz genau wussten, ab einer bestimmten Uhrzeit, also wir haben so 24 Stunden Radiosendung gemacht, ab einer bestimmten Uhrzeit, so nach der 3:00 Uhr Morgen, da schalteten sich so eine ganz bestimmte Gruppe von Menschen in den Städten ein, die ganz bestimmte Interessen haben.
Interviewer: Was denn?
Karel Dudesek: Ja, irgendwelche Dark Side of the Moon. Also so Dating oder irgendwelche Vorstellungen. Und dann auch so die Taxifahrer schalteten sich ein am Abend. Weil die sind zu Tode gelangweilt, die wissen das nicht… also haben nichts zu tun. Also das war eher in den Radiosendern, aber nicht bei der Piazza, war das nicht. Das hat sich, glaube ich, das hat sich selbst irgendwie reguliert, ja. Also von der Emotion. Ich kann mich nicht erinnern. Aber ich würde da noch mal die anderen befragen, wie das ist.
Interviewer: Na ja, wir gucken uns das ja selbst an. Und wie gesagt, im Internet gibt es ja jetzt das Phänomen des Trolls. Man würde erwarten, dass das halt so eine ähnliche Dynamik auch auslöst.
Karel Dudesek: Ich glaube, das war damals noch nicht Mode. Das ist das einzige, was man halt kannte, das sind Pranks. Aber das war eher aus Amerika, in Amerika. Vielleicht gab es so Identity Spieler, also die irgendeine Identität irgendwie so, irgendwelche Herren haben irgendwie auf Jugendliche gemacht, oder… Das kann gut sein, aber ich kann mich da nicht erinnern.
Interviewer: Mecdialandscape: Die Diskussion von zwei Telefon- und zwei Modem-Benutzern wurde von einer Datenbank begleitet.
Karel Dudesek: Ja, das hat Salvatore gemacht. Das ist eine Komplettidee von ihm, die sehr technisch, sehr viel aus dem Computer. Und da waren Keywords. Wenn die Leute was gesprochen haben, dann sind die Keywords aus der Datenbank gekommen, Bilder aus der Datenbank und haben diese ganze visuelle Oberfläche gestaltet. Also wie du siehst, zum Beispiel so was ist das andere Extrem gewesen. Also von dem rigiden kam dann aus das… kam die Bilderflut, die Textflut und die Kommunikation der Leute. Also das war auch vorhanden. Das war ein experimentelles Format, dass, wenn man das so sehen will und wo ganz einfach eine Versuchsanordnung war, das in dieser Art und Weise zu lösen.
Interviewer: Moby Dick’s Eye: ISDN-Verbindung zu Forschungsstationen und Schiffen in aller Welt.
Karel Dudesek: Das ist so das Greenpeace Format. Wir haben einen Freund gehabt im Umweltministerium. Und der hat die ganzen Kontakte entweder zur Forschungsstation oder Forschungsschiffen. Und da waren die natürlich monatelang unterwegs, isoliert mit ihren Fischen und dem Meer. Und dann, je nach Sendezeit, kamen da unterschiedliche Leute rein und haben dann irgendwelche doofen Fragen den gestellt, den Wissenschaftlern. Und die haben auch ganz schön lange gebraucht, bis sie da fähig waren zu antworten. Also so die Fragen: Die Fische, die ihr zu Forschungszwecken da rausholt, esst ihr die auch? Und so weiter. Und alles Mögliche. Also Kinder, die da angerufen haben und mit denen gesprochen. So in der kindlichen Naivität ihre Dinge.
Interviewer: Das muss ja eigentlich ideal sein für so eine Vermittlung von Wissenschaft. Wenn man die direkt fragen kann.
Karel Dudesek: Ja, das sieht man heute so. Das war noch eine Zeit, wo die halt ihre spezifische Elite waren und nicht Marketing machen mussten.
Interviewer: Muskart – Die Robot Kamera. Ein Zuschauer steuert die fernlenkbare Robot-Kamera durch die Container City in Kassel.
Karel Dudesek: Also das war unter der Decke, hang eine rote Kamera von Nick Baginsky. Das ist ein Künstler, der in Hamburg lebt und sich mit Robotern und Maschinen beschäftigt hat und der hat für die Piazza virtuale hat er so eine Robot Kamera gebaut, die auf Schienen durch das Studio fuhr. Und den Arm runtergelassen und rauf und drehen und so weiter, die Kamera. Und man konnte also Voice und per Kopfhörer hat man den Zuschauer gehört und konnte mit ihm reden. Also jeder Grafiker, jeder der im Studio war, konnte man auf den zufahren. Und hat das Videobild auf Sendung gehabt, wenn der Parameter war, wenn das auf Sendung geschalten war. Und die hatte eine eigene Telefonnummer. Und eigentlich gab es so… dann haben wir das vergessen und dann fuhr die nach wie vor durch die Gegend. Weil die Leute da durchgeschalten worden sind. So gab es eben die Transparenz zum Beispiel, dass ganz andere Charaktere dann mit den Zuschauern in Kontakt kamen. Zum Beispiel ein Programmierer oder ein Grafiker oder der Sound Typ. Oder ein Besucher. Also da waren ja Besuchergruppen und plötzlich kam die Kamera rüber, zack, so ein Arm. Also das war schon sehr gut, dass das so von den eloquenten Leuten ein bisschen wegkam.
Interviewer: Professor Fox, das warst ja du?
Karel Dudesek: Nein, Professor Fox war eigentlich der, der das Ganze erklärt hat.
Interviewer: Aber mit einer Stimme, die deiner verdächtig ähnlich klingt.
Karel Dudesek: Echt? Das hat Professor Fox, das hat ein österreichischer Künstler gemacht, der erklärt, wie die Piazza funktioniert. Und was man alles machen kann. Also, dass die Zuschauer irgendwie so ganz simpel, ganz einfach, dass die wissen, wie die Mechanismen sind im Hintergrund.
Interviewer: Rap’em high, Disco Fever, die virtuelle Disco.
Karel Dudesek: Ja, also wie das Orchester, wie das klassische Orchester, eigentlich dann auf etwas flippiger und mit anderen Parametern. Exakt das gleiche mit anderen Synthesizern bestückt.
Interviewer: Recorder – Der interaktive Anrufbeantworter – Tonband-nimmt-deine Message-auf-Maschine.
Karel Dudesek: Echt? Das kenne ich nicht. (lacht).
Interviewer: Sarah und Daniel, das Quicktime-Liebespaar der Piazza.
Karel Dudesek: Also quasi Dating Applikation. Es konnten sich, ich glaube wir haben, das weiß ich nicht mehr, ob Mann oder Frau immer da durchgeschalten worden sind. Und die konnten sich daten über diesen Event.
Interviewer: Sind da bleibende Beziehungen gestiftet worden? Weißt du da irgendwas?
Karel Dudesek: Ich glaube, ja, kann sein. Also es gibt die ulkigsten Sachen in Beziehungen.
Interviewer: Aber konkret?
Karel Dudesek: Das weiß ich nicht.
Interviewer: tazetta, die TAZ live und aktuell auf Sendung.
Karel Dudesek: Also das war, glaube ich, die einzige Zeitung, die sich getraut hat mit uns in Kooperation zu gehen. Wie genau das war und wer das organisiert hat, weiß ich nicht, aber die haben uns quasi die News, die sie zur Verfügung hatten, kostenlos weitergegeben. Und wir haben die dann eingespielt in, sagen wir mal, in diese App von Salvatore, oder in andere Apps ist das dann als Keyword Generator. Also ein Generator, der die Keywords abgegriffen hat, die da reingepumpt worden sind. Aber mehr haben die sich auch nicht getraut. Also, dass die da so CNN-mäßig aus Berlin oder aus Frankfurt, waren die damals in Frankfurt die TAZ?
Interviewer: Die waren schon Berliner.
Karel Dudesek: Immer schon in Berlin?
Interviewer: Natürlich groß in Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg.
Karel Dudesek: Also, die haben nur Text bereitgestellt.
Interviewer: Tic, Tac, Toe.
Karel Dudesek: Tic, Tac, Toe war ein Spiel, also Game. Ich kann mich nicht erinnern, dass das oft als Sendemodell da war, aber war halt ein Spiel umgesetzt auf die Touch Tone wieder, dass man da hin und her switchen kann. Aber ganz einfach.
Interviewer: Zensor. Für einige Teilnehmer bittere Realität auf der virtuale, drei Stunden gewählt, endlich durchgekommen, danebenbenommen und gleich wieder rausgeflogen.
Karel Dudesek: Ja, also wir haben so einen Stempel gehabt. Einen virtuellen Stempel, den konnten wir, oder auch die Zuschauer bei verschiedenen Blöcken benutzen. Oder die Zuschauer haben dann selbst das in die Hand genommen und haben gesagt, jetzt bitte zensurieren. Und dann kamen dann von hinten grafisch, wie so ein Effekt, so ein Zensor-Stempel rein mit Sound, oder auch nicht, weiß ich nicht. Und es war eine transparente Zensurierung. Es war nicht eine versteckte Zensur, sondern die war transparent. Fand ich interessant damals, weil Zensur gehört zum normalen Leben. Also das gehört dazu und ich finde es gut, wenn Zensur offensichtlich gemacht wird und nicht versteckt.
Interviewer: Und genau, dann gab es natürlich noch die Piazzettas Das ist jetzt ein weites Feld. Aber kannst vielleicht einfach erklären, was die Idee dahinter war. #00:15:33-3#
Karel Dudesek: Also die Piazzettas waren die kleinen Einspeisestudios, oder Punkte in Ost- und Westeuropa verteilt. Einer in Japan. Einer in Canada, wo sich also… Die Idee war Gruppen gebildet haben, die also eine Liveschaltung zu uns hatten, entweder über eigene Geräte, oder über wir haben die Geräte von der Deutschen Telekom denen zur Verfügung gestellt. Und die hatten eine Standleitung und einen Computer, oder eine Videoleitung und hatten Fernsehblöcke. Also strukturiert, so und so viel Minuten. Und die machten alles Mögliche. Also von Performanz bis Musik bis zur Selbstdarstellung. Bis lokaler Reportage aus Kriegsgebieten bis und, und, und. Also das war wild gemischt. Hatte eigentlich mit der Ursprungs-, der rigiden Ursprungsidee von Piazza wenig zu tun. Also es war quasi ein Videofeed von außen. Und die hat Kathy Rae Huffman betreut und der Mike Hentz. Also die waren immer unterwegs und haben versucht, dass das also nicht komplett als Selbstdarstellungsding endet, sondern auch die interaktive Idee mitführt. Also, dass man, entweder den Zuschauer da verlinkt in die Interaktion, oder andere Leute, die in der Lokalität waren.
Interviewer: Jetzt noch mal zurück zu der Situation vor Ort. Du hast ja gesagt 90 Leute waren beteiligt. Jetzt mal so ganz praktisch. Wie haben die zu essen bekommen? Gab es da so eine Betreuung, ein Catering?
Karel Dudesek: Gute Frage.
Interviewer: Es gab da dieses Café.
Karel Dudesek: Ja, also ich kann mich dunkel erinnern, dass da irgendein Vertrag war, oder irgendeine Vereinbarung mit irgendeinem Restaurant. Also jetzt habe ich keine Ahnung. Aber gute Frage. Das weiß aber sicher Salvatore, der hat das noch im Hinterkopf, wie das abgewickelt wurde.
Interviewer: Und wurden die Leute, die da mitgearbeitet haben, bezahlt?
Karel Dudesek: Teilweise ja. Natürlich unproportional zu dem, was da an Stunden und Aufwand geleistet wurde. Wie viel und was da, wie viel Geld da gezahlt wurde, das weiß besser Benjamin oder Salvatore. Weil die waren in diese Prozesse involviert.
Interviewer: Aber es muss natürlich auch, wenn manche bezahlt werden und andere nicht, kann das auch zu Neid und…
Karel Dudesek: Ja, ich glaube, es wurden alle außer wir selbst, die nicht bezahlt worden sind, haben… Nein, das ist schon klar. Das musste irgendwie alles bezahlt werden. Also ich glaube nicht, dass da irgendwelche unbezahlten Dienstleistungs… Glaube ich nicht.
Interviewer: Und wieso wurden ausgerechnet die, die sich das ausgedacht haben, nicht bezahlt?
Karel Dudesek: Weil das Geld nicht da war.
Interviewer: Also ihr habt da drei Monate umsonst gearbeitet?
Karel Dudesek: Ja, also umsonst. Wir konnten ins Caféhaus gehen. Wir konnten uns zu essen kaufen und wir haben eine Wohnung gehabt. Das ist als Honorar, das kann man so sagen. Aber wir sind nicht mit 100 D-Mark da damals irgendwie in der Tasche nach Hause gefahren, sondern ganz im Gegenteil.
Interviewer: Habt ihr Schulden gemacht?
Karel Dudesek: Ja, es war, ich weiß es nicht genau, wie viel das verschuldet war, aber es ist sich irgendwie ausgegangen, aber es war kein Geld da, dass wir uns… Im Gegensatz, was Leute wahrscheinlich dachten, dass wir da uns… Es wurden die Kosten, zum Beispiel wenn der Mike fuhr, sind die Reisekosten bezahlt worden und das Essen gegen Belegvorgaben und so weiter und so fort. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass wir uns da Honorare bezahlt haben.
Interviewer: Außer Spesen nix gewesen. Während du da gearbeitet hast, an diesen 100 Tagen. Hast du da irgendwann mal so gedacht, ist das der Höhepunkt meines Lebens, oder was habe ich da erreicht? Ich meine, das war ja ein großer technischer Aufwand, ein logistischer Aufwand, viele Leute involviert. Oder war man dann in so einem Tunnel drin, dass man…
Karel Dudesek: Nein, das war ein kompletter Tunnel. Also man hat das überhaupt nicht begriffen. Es war nicht die Zeit dafür. Also das hat Jahre gedauert bei vielen und ich glaube, bis man eigentlich das vergeistigt hat, was da eigentlich geschaffen worden ist und mit was für einem hohen Grad von Freiheit wir operiert haben. Und was uns zur Verfügung stand. Und wie einfach das alles war. Also das ist ja heute undenkbar. Undenkbar. Also das ist auch interessant, dass sich eigentlich die Meinungsfreiheit, die so wichtig ist für die Leute eigentlich eingeschränkt hat. Ich sehe das so. Du kannst dich zwar hier hinstellen und kannst sagen, Free Tibet und wirst nicht nach Hause geschickt. Wenn du das im Tian’anmen machst, wirst du nach Hause geschickt. Aber so die konzentrierte und wirklich seriöse, der seriöse Output, ist extrem reguliert. Und immer mehr reguliert. Weil das Internet, die Nachrichtenposition im Internet ist ja verglichen zu Fernsehen oder zu Radio, also viel mehr abgeschwächt. Und noch dazu, wenn es live ist. Das ist noch eine andere Stufe. Es gibt ja keine, oder ganz wenige Live-Sendungen, die Sportsendungen sind teilweise live. Aber sonst gibt es ganz wenige Live-Sendungen. Und das macht das Fernsehen absichtlich, damit es in keine Troubles kommt. Und ich glaube, dass das… Also bei mir ging es so, dass ich erst viele Jahre später da draufgekommen bin, was da eigentlich, was wir da eigentlich gemacht haben und hingestellt haben. Was da ermöglicht wurde, oder was verhindert wurde, oder? Et cetera und ich glaube die Leute selber, die zum Beispiel die Documenta, die haben in der aktuellen Zeit überhaupt nichts begriffen. Also der Hoet war öfter da, der fand das gut von der Atmosphäre und von der Emotion. Dem hat das gefallen. Aber die haben das begriffen rein intellektuell, das hat viele Jahre gedauert.
Interviewer: Ich habe auch den Eindruck, dass die Sponsoren da inhaltlich überhaupt keine Vorgaben gemacht haben, keiner, der sich da… Die Satellitenzeit war unheimlich teuer, ist es immer noch. Also kannst du bestätigen, kein Einfluss durch die Sponsoren?
Karel Dudesek: Nein. Also wir haben teilweise aus, wie sagt man da, selbstgefügig die Logos aufgeklebt. Und es hat uns eigentlich keiner danach gefragt (lacht). Aber einige Firmen haben gefragt natürlich so. Aber zum Beispiel, wir sind damals von Commodore gesponsert worden. Der war so sympathisch der Chef, dass ich sogar gerne das Logo aufgenommen… weil der ein supernetter Typ war. Oder die Container Firmen, oder die Möbel Firmen, oder die Kaffee Firmen und so weiter. Also das war kein Aufdrängen, kein penetrantes. Das ist eine ganz andere Kultur damals gewesen, also die nicht nach Einschaltquoten gelechzt hat. Aber die haben auch nicht kapiert, was wir da machen. Das war, die schönste Geschichte in diesem Projekt ist ja die Vertragsunterzeichnung beim ZDF. Wo der alte Herr Intendant dann die Frage stellt: „Ja, meine Herren, was sehen wir dann am Bildschirm?“ Und wir haben gesagt, das wissen wir nicht. Und das ist natürlich für einen Broadcaster der Albtraum. Und dann hat der aber gesagt, okay, dann unterschreiben wir das. Also das ist ja unvorstellbar. Da bricht dann, also eine gesamte Welt wird ungültig erklärt, also jetzt mal extrem gesagt, und der unterschreibt quasi ein leeres Bild. Und diese ganze Sache mit Copyrights, mit Legalität, also das war damals nicht Thema, das war nicht Thema.
Interviewer: Heute wollen sie uns hier verbieten im Hotel zu filmen.
Karel Dudesek: Ja, wenn man nett fragt, dann geht das auch. Aber da ging es nicht…
Interviewer: Aber es gibt halt viel mehr Kontrollen.
Karel Dudesek: Jaja, es ist alles also das, was ich vorher gesagt habe, ich glaube, dass die Zeit immer mehr stringenter, kontrollierter, teilweise von Interessen manipuliert wird und es gibt keinen Freiraum. An das habe ich nie geglaubt, obwohl viele Leute das sagen. Aber ich glaube, es waren noch Räume, die man temporär besetzen konnte und da agieren konnte, die viel mehr Auswirkungen gehabt haben. Also es waren ja auch zum Beispiel Fans, zu meiner Verwunderung, waren Experimentalfilmer. Richtige Hardcore Experimentalfilmer waren totale Fans. Weil die das kapiert haben. Die Experimentalfilmer, die sich entfernt haben von der Bildsprache der Unterhaltung, also so ganz rigide wurden dann, zum Beispiel nur schwarz-weiß Kader. Und die waren begeistert, ja.
Interviewer: Ja. Dann erzählen Sie doch mal was sieht man denn auf diesen Plänen? Und verbinden sich da auch Erinnerungen mit diesen Räumen?
Karel Dudesek: Ja, ich bin vollkommen überrascht von diesen Plänen. Ich habe die noch nie im Leben gesehen, aber…
Interviewer: Entsprechend den Tatsachen.
Karel Dudesek: Entsprechend den Tatsachen. Also, das ist scheinbar seriös geplant gewesen von Statikern und amtlich genehmigt sicherheitstechnisch. Ja, also die Idee der Containerstadt oder der Container City die zog sich durch diese Medienprojekte die wir gemacht haben. Zum ersten Mal in der Ars Electronica. Ja. Und das war natürlich die Konsequenz aus der Realität, dass wir keine Räume hatten. Und das nomadische ist ja was containerhaftes aus dem mobilen Bus heraus zu senden und das war der große Vorteil, dass wir also die da aufbauen konnten. Auf einem sehr großen Parkplatz, sehr zentral. Ja. In Kassel. Quasi der Fluss von den Leuten der Documenta da durchgezogen ist und so viele Sachen aufnehmen konnten an die man normalerweise nicht rankam. Und auch, dass auch die Leute mit dem Team und mit den Leuten in Kontakt kamen. Ja. Und…
Interviewer: Das war aber nicht alles öffentlich, oder?
Karel Dudesek: Doch, das war alles öffentlich.
Interviewer: Jeder konnte in alle Studios?
Karel Dudesek: Mehr oder weniger konnte jeder in die Studios rein. Außer, wenn eine Sendung war, in Sendestudio, ist das dann kontrolliert geführt worden. Ja. Die Empfangsdame hat die dann geschnappt und die konnten natürlich nicht in die… Aber es war alles öffentlich. Ja.
Interviewer: Ja, einzelne Räume die dann eine Sonderrolle gespielt haben oder die für dich eine besondere Bedeutung gehabt haben?
Karel Dudesek: Ja, der Ruheraum. Also ich habe mich am liebsten in den Ruheraum verzogen immer. Wenn da nichts zu tun war. Der Ruheraum der war dann Büro oben. Besprechungen. Kaffeehaus war sehr angenehm, weil wir haben Illy-Kaffee gehabt und kompletten Service. (…) Studio mit eigener Stromleitung, weil wir haben sehr viel Strom verbraucht natürlich. Das was nicht da drin ist, ist die Satellitenschüssel. Die da direkt davor stand. Das ist so eine fünf, sechs Meter große Satelliten-Uplink. Gab es auch ganz interessante Geschichten. Wir haben uns mit den Bastlern befreundet und die haben uns dann intern was erzählt von der Satellitenkommunikation. Also, dass rundum die Welt ein Kanal jeweils vom CIA geblockt ist. Von dem amerikanischen Geheimdienst. Da kommt keiner drauf. Und das ist egal wo die sind. Die kommen auf den Kanal drauf ja. Also das ist undenkbar, dass man heut zu Tage so in ein Nahfeld von so einer Technologie kommt. Ja. Also, da (…) Ja, also das war ein sehr kompaktes und sehr effiziente Produktionsstätte. Ja, die auch das innen und nach außen und vice versa verbunden hat. Es waren ja Fenster und da konnten die Leute reinschauen was da war. Und das ist auch nie etwas vorgefallen, dass da irgendwas passierte. Es war alles so relativ respektvoll behandelt.
Interviewer: Auf Ästhetik, auf Gestaltung ist da keinerlei Wert gelegt worden bei der Ausstellung?
Karel Dudesek: Doch, die Außenfassade hat der Marc mit so Aufklebern aus Plottern wurde die verändert. Also eher so didaktisch mit den Sendeorten, mit dem Plazets und mit Symbolen und graphisch gestaltet. Und innen war das sehr funktionell. Also, das war ja alles in äußerst knapper Zeit organisiert. Ja mit den Genehmigungen und so weiter, dass dann überhaupt zustande kam. Also es ist ja ein Wunder, dass das alles funktioniert hat. Also diese (…) Dass Untergrund und Übergrund gingen die Informationen raus. (…)
Interviewer: Auf den Bildern die man… Also auf dem Inneren sieht, sieht es auch immer ein bisschen eng aus.
Karel Dudesek: Ja, ja das haben Container so an sich. Also Container sind ja so effizient wie möglich gestaltet, dass man sich so knapp… Also nicht wie die Flieger, die haben ein bisschen mehr Freiheit als im Flug. Aber es ist so ungefähr so das gleiche Konzept.