Touchtone-Steuerung
Eine der wichtigsten Innovationen bei „Piazza virtuale“ war die Idee, Programmelemente mit Hilfe der Telefontastatur zu steuern. Dies wurde möglich, da ab Beginn der 1990er-Jahre das Touch-Tone- bzw. Mehrfrequenzwahlverfahren in der analogen Telefonie in Deutschland eingeführt wurde. Beim Mehrfrequenzwahlverfahren werden die Tastendrucksignale eines Telefons zu Tonfrequenzen umgewandelt, die von Computern weiterverarbeitet werden können. Die Idee kam Benjamin Heidersberger bereits 1990, wie Auszüge aus seinem Skizzenbuch zeigen. Zusammen mit den Mitarbeitern von Van Gogh TV entwickelte er ein Telefoninterface mit eigener Software, die bei einigen der Programmblöcke verschiedene Programmelemente steuerte.
Als erstes steuerbares Programmmodul wurde das Spiel „Tic Tac Toe“ von Rainer Koloc programmiert, das aber nicht ins Programm von „Piazza virtuale“ aufgenommen wurde. Bei dem Format „Atelier“ konnten die Zuschauer ein einfaches Zeichenprogramm nutzen, um gemeinsam zu malen, und bei „Rap ‚em high (Disco Fever)“ und bei „Interactiv Classic Orchestra“ Samples auslösen, um gemeinsam Musik zu machen.
Auch die Roboterkamera im Studio wurde mit der Telefontastatur gesteuert. Bei der Sendung „Sarah und Daniel“ wurden mit Hilfe der Telefontastatur kurze Videoclips ausgelöst, bei „tazetta“ konnte man sich mit der Telefontastatur durch Meldungen aus der taz navigieren und bei „Record Stack“ Sprachnachrichten aufnehmen.
Diese Art der Steuerung von Ereignissen im Fernsehen lässt sich letztlich bis zu der Fernsehshow „Der Goldene Schuss“ zurückverfolgen, bei der ein Anrufer ein Luftgewehr auf ein Ziel justieren konnte, ein Prinzip, das bei „Telespiele“ mit Thomas Gottschalk auf Computerspiele übertragen wurden. Beim „ZDF-Glückstelefon“ und bei „Superball“ (Sat1) konnte man zu der Zeit, als „Piazza virtuale“ auf Sendung war, sogar schon virtuelle Figuren steuern, wenn auch nur durch gesprochene Befehle. Interaktionsmöglichkeiten boten auch schon Sendungen, bei denen das Publikum per TED mitentscheiden konnte, und der Bildschirmtext, bei dem man sich per Fernbedienung durch Texttafeln navigieren konnte. Aber erst bei „Piazza virtuale“ wurde das Telefon zu einem Eingabemedium für Programmabläufe auf dem Monitor. Dieses Prinzip wurde kurz danach bei der „Hugo Show“ (ab 1994) des Kabelkanals eingesetzt, wo man über das Telefon eine Spielfigur in einem Videospiel steuern konnte.
Demonstration eines frühen Prototyps der Musikprogramme (Foto: Ali Altschaffel, altschaffel.com)
Musikproduktion mit der Telefontastatur (Foto: Ali Altschaffel, altschaffel.com)
Das Telefoninterface: Mit diesem Gerät wurden die Telefonanrufe angenommen und die Touch-Tone-Signale in Computersignale umgesetzt