Hotel Pompino (1990)

Hotel Pompino war ein aufwendiges Fernsehprojekt, das Ponton bei der ars electronica in Linz durchführte und das eine Woche lang im Nachtprogramm von 3Sat und ORF übertragen wurde. Als eine Art interaktives Fernsehspiel konnten die Zuschauer per Telefon die Darsteller vor der Kamera durch ein virtuelles Hotel zu führen. Dafür entwickelte Ponton ein komplettes digitales Studio auf der technischen Basis von von Amiga-2000-PCs, die für die Bearbeitung von Video optimiert waren. Dieser Computertyp prägt mit seinen 4096 Farben, einer relativ kleinen Farbpalette, die zu dieser Zeit von Macintosh-Computern weit übertroffen wurde, den Look der Sendung: Die grellen, bunten, poppigen Farben verleihen dem Programm aber auch eine ganz eigene Ästhetik.

Das virtuelle Studio war möglicherweise das erste seiner Art in Europa. Die Darsteller standen vor einem Blue Screen, auf den die insgesamt 44 Räume des virtuellen Hotels mit unterschiedlichen Eigenschaften eingeblendet wurden, die auf den Amiga-Computern gestaltet worden waren.

Pro Tag spielten mehrere Kandidaten gegeneinander. Man erhielt für die Teilnahme Punkte, die von einer unsichtbaren Jury nach höchst willkürlichen Regeln vergeben wurden. Der Hauptgewinn war freie Sendezeit am nächsten Tag. Diese konnte der Kandidat nach eigenen Vorstellungen gestalten und dabei auch die technischen Möglichkeiten des Studios nutzen. Der Verlierer landete in einem computeranimierten Müllschlucker, womit seine Teilnahme am Spiel beendet war.

Einige der Elemente von „Hotel Pompino“ tauchten auch bei „Piazza Virtuale“ wieder auf, so zum Beispiel der Einsatz von Bildtelefon und Mailbox. Im Katalog der ars electronica ist die bisherige Arbeit von Ponton in einem ausführlichen, reich illustrierten Teil dargestellt, was auch etwas über den Status der Gruppe in der Medienkunstszene dieser Zeit sagt. Über „Hotel Pompino“ heißt es dort: „Europa ist aufgefordert mitzuspielen! Das Spiel „Hotel Pompino“ wurde als Konsequenz der Live-Fernsehprojekte von Van Gogh TV entwickelt, um so noch direkter mit dem Zuschauer zu kommunizieren, der jetzt zum Mitspieler wird. Die Beteiligung kann entweder durch persönliches Erscheinen, über Telefon, über Bildtelefon oder über Mailboxen erfolgen… Kabel oder Satellitenschüssel bringen das 3sat-Sendebild ins Wohnzimmer des Zuschauers, der nur so zum Mitspieler wird. Von Ponton installierte Bildtelefone stehen in ganz Europa; über sie schalten sich Zuschauer live als Jury oder Kommentatoren ein. In Mailboxen kommunizieren Computerbenutzer über Telefonleitungen, durch sie kann sich der Zuschauer ins Spiel schriftlich einbringen… Die Verbindung vom Lokalen in die Welt erfolgt durch das Netzwerk (Telefon, Picturephone, Mailbox, Newsticker).“

Auch wenn die Behauptungen in diesem Ankündigungstext etwas hoch gegriffen sind (es gab z. B. keine Bildtelefone in „ganz Europa“) zeigt diese Beschreibung, dass auch bei „Hotel Pompino“ schon Partizipationselemente zu finden sind, die zwei Jahre später bei „Piazza virtuale“ wieder auftauchen. Im Programmheft des Festivals findet sich folgendes kurzes Statement: „Wir erachten die Inszenierung eines europaweiten Spieles als unseren Beitrag und im Sinne eines Kunstfernsehens eine Provokation und eine Katalysierung bereits bestehender Produktions- und Konsumationsmechanismen zu betreiben.“

Allerdings wurde das Treiben vor der Kamera von der Presse und offenbar auch von vielen Zuschauern als chaotisch und schwer nachvollziehbar kritisiert. In einem langen Artikel, der in der Computerzeitschrift „Mac-Up“ erscheint, heißt es: „Bisher fehlen Orientierungspunkte sowohl in den sehr komplexen Bildern und Bildwelten als auch erklärende Hinweise über den Spielsinn und -verlauf. Eine genormte Benutzeroberfläche für den Zuschauer, wie sie auch vorgesehen war, hätte hier geholfen – und mit so simplen Effekten wie wiedererkennbaren Schriften, Symbolen und einer festen Struktur des Bildaufbaus die reine Bilderflut verhindert, wie sie zuweilen vom Schirm stürzte -, wahrscheinlich auch der Einsatz von Graphiken zu den diversen Bildtelephon-, Telephon- und Satellitenverbindungen.“

Bei „Piazza virtuale“ kamen, möglicherweise auch als Konsequenz solcher Überlegungen, die performativen Beiträge nur noch von den Piazzettas. Bei der Gestaltung der Bildschirmoberfläche dominierten Symbole und Grafiken auf eine Weise den Look des Programms, dass der Fernsehbildschirm der Benutzeroberfläche eines Computers glich. Ob diese Symbole der Verständlichkeit der technischen Vorgänge dienten, ist eine andere Frage.

Links

„Hotel Pompino“ auf der historischen Website von Ponton

„Hotel Pompino“ im Katalog der ars electronica 1990 auf Englisch

„Hotel Pompino“ im Katalog der ars electronica 1990 auf Deutsch

Interview mit Kathy Rae Huffman

Künstlerin Ulrike Gabriel bei Hotel Pompino

Equipment, Hotel Pompino

Hacker-Legende John Thomas Draper aka Captain Crunch

Rehearsal von Hotel Pompino in Amsterdam

Ole Lütjens und Salvatore Vanasco

Schlafsaal

Studio, ars electronica

Screenshots Hotel Pompino

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