Computergesteuerter, automatisierter Programmablauf
Die digitalisierten Programmblöcke brauchten Zeit, um zu laden
Ein technisches Ziel bei „Piazza virtuale“ bestand darin, dass das Programm automatisch und ohne das Zutun der Produzenten ablaufen sollte. Jedes Sendeformat war ein eigenen Computerprogramm, das zu Beginn geladen werden musste – daher gibt es auch vor jedem neuen Programmblock eine Sequenz, in der das Publikum zum Warten aufgefordert wurde: „Unsere Computer laden jetzt.“ Da die Gruppe zum größten Teil mit handelsüblichen Computern arbeitete, musste das Zusammenspiel der diversen Rechner von unterschiedlichen Herstellern, die verschiedene Bildelemente und Klänge generierten und in die je nach Format noch Live-Videobilder eingeblendet wurden, mit eigenen Software-Entwicklungen ermöglicht werden. Diese selbst geschriebenen Programme, aber auch die Software der Computer, stürzten gelegentlich während der Ausstrahlung ab, was zu Sendeausfällen mit Bootscreens oder Schwarzbildern führte.
Im Videoclip sieht man die Studiotechnik, mit der die Sendung gefahren wurde. Es läuft das Programmsegment „Sarah und Daniel“, bei der zwei Zuschauer mit der Telefontastatur kurze Videoclips auslösen konnten, die den Dialog eines Liebespaars wiedergeben. Auf den verschiedenen Monitoren sieht man den farbigen Hintergrund und die Filmclips, die im Fernsehen als ein Bild zu sehen waren. Weiterhin zu erkennen sind verschiedene Bildtelefone und ein Waveform-Monitor. Der PC, der ganz rechts in einem Rack zu sehen ist, koordinierte die verschiedenen miteinander verbundenen Computer als Netzwerk-Hub.
Die Aufgabe der Sendeleitung bestand in diesem Fall nur darin, den reibungslosen, technischen Ablauf des Programms sicherzustellen und darauf zu achten, dass die Anrufer den Kanal nicht für extremistische, politische Aussagen oder andere unerwünschte Botschaften nutzten. Bei anderen Sendungen wurde der Dialog oft auch moderiert oder animiert, auch wenn dies eigentlich dem Konzept widersprach, die Gestaltung der Sendungen ganz auf Beiträge des Publikums zu beschränken.
Dies sieht man im zweiten Clip, der die Studiosituation in Kassel zeigt, während ein Beitrag der Piazzetta Lyon gesendet wird. Die Anrufer geben einer Gruppe von Anrufern auf Deutsch Regieanweisungen, die Salvatore Vanasco ins Französische übersetzt. Auf den verschiedenen Monitoren sieht man die unterschiedlichen Bildelemente, die im Fernsehen zusammengesetzt auf dem Bildschirm zu sehen waren. Diese sieht man auf dem Monitor rechts, der die Fernsehübertragung zeigt, was man am eingeblendeten 3sat-Schriftzug erkennt.
Links oben auf dem Fernsehbild ist die Live-Übertragung aus Lyon zu sehen, rechts eingesendete Faxe (link Fax im Fernsehen) und unten der Mailbox-Chat. Am Ende versucht ein Anrufer die Sendung mit Musik zu stören; er wird aus der Leitung geworfen und auf dem Monitor ist kurz ein Stempel mit der Aufschrift „Censored!“ zu sehen.
Die technischen Details des Studioaufbaus werden in dem Artikel aus der Computerzeitschrift Mac-Up beschrieben, der unten verlinkt ist, und in dem es zum Abschluss heißt: „Alles zusammen bildet ein System, dass sich – abgesehen von der Möglichkeit ein Hardware-Defekts oder Absturzes – völlig selbstständig steuert. Lediglich die Zensur, bei einem derart offenen System leider unumgänglich, wurde noch nicht automatisiert.“
Hinter den Kulissen im Studio der Piazza virtuale (Video: Michael Aschenbrenner)
Hinter den Kulissen im Studio der Piazza virtuale, während einer Live-Sendung der Piazzetta Lyon (Video: Michael Aschenbrenner)
Bei einem Computerabsturz sieht man den Desktop des Amiga-Computers, von dem die Sendung „gefahren“ wurde
Screenshot von „Piazza virtuale“: Ende eines digitalen Programmblocks
Screenshot von „Piazza virtuale“: Die Programmübersicht wurde täglich eingeblendet