Der Sender

Trotz drei Jahren Recherche ist es uns nicht gelungen, den Vertrag zwischen Van Gogh TV und 3Sat über „Piazza virtuale“ zu finden. In den Unterlagen, die wir von den Mitgliedern von Van Gogh TV erhalten haben, war er nicht zu finden, obwohl hier ansonsten jede Lieferquittung abgeheftet wurde. Bei 3Sat wurden alle Archivunterlagen einige Jahre vor dem Beginn unserer Recherche vernichtet.

So können wir weder bestätigen noch verneinen, dass die einzige Vereinbarung zwischen dem Sender und der Gruppe darin bestand, dass letztere lediglich „ein sendefähiges Signal“ abzuliefern hätten, wie einige Mitglieder Gruppe behaupten. Auch weitere Vereinbarung über Inhalte, Programmstruktur, Werbefreiheit des Programms und Moderation der Zuschauerbeiträge kennen wir daher nur aus den Interviews, die wir im Rahmen des Forschungsprojekts geführt haben.

Diesen war auch zu entnehmen, dass der Sender das Programm unterstützte. Allerdings war das Investment für 3Sat auch relativ gering: Der Sender zahlte für mehr als 200 Stunden Programm lediglich 17.000 D-Mark, den Rest des Budgets von einer knappen halben Million D-Mark brachte Van Gogh TV bei Sponsoren und öffentlichen Institutionen selbst auf. Erst als gegen Ende der Ausstrahlung das Geld ausging, schoss 3Sat noch einmal Geld zu. Auf dem Sendeplatz am Vormittag von „Piazza virtuale“ wurden vorher Auszüge aus dem Videotext gezeigt, sodass dieser Programmplatz wie auch die Sendezeit im Nachtprogramm am Wochenende nicht zu den begehrtesten im Programmschema gehörte. Gleichzeitig war der Sender in Sachen „Re-Broadcasting“ großzügig, sodass „Piazza virtuale“ auch in Tschechien, Lettland und Slowenien zeitweise ausgestrahlt werden konnte.

Gleichzeitig entsprach „Piazza virtuale“ den programmlichen Anforderungen von 3Sat, die zu dieser Zeit mit dem Slogan „Anders fernsehen“ für sich warben und sich als öffentlich-rechtliches Kulturprogramm positionierten. „Wir waren dazu da, Dinge auszuprobieren“, sagt Wolfgang Bergmann, damals für die Sendung verantwortlich, im Interview. „Experimente machen, das konnte man damals auch. Wir sind nicht erstickt unter Publikum, die Verbreitung von 3Sat war noch eher homöopathisch.“

In der Videoaufzeichnung einer Telekonferenz zwischen Verantwortlichen des Senders und dem documenta-Kurator Jan Hoet, die vor Sendestart stattfand, stellen beide Seiten ihre Erwartungen an das Programm dar. Man sieht im Gespräch erst den damaligen 3Sat-Indendanten Walter Konrad und Wolfgang Bergmann, Jan Hoet ist als Gesprächspartner nur zu hören:

Videotelefonat zwischen documenta-Kurator Jan Hoet (nur zu hören), 3Sat-Indendant Walter Konrad und 3Sat-Redakteur Wolfgang Bergmann

Dokumente