Technik

Ein Diagramm, das die verschiedenen „Zugangswege“ zur Piazza illustriert

Das Telefoninterface, mit dem die akustischen Signale vom Telefon in Computerbefehle umgewandelt wurden

Gebrauchsanweisung für den Einsatz der Telefontastatur bei „Piazza virtuale“

Die Mitarbeiter von Van Gogh TV entwickelten eine Reihe von eigenen Geräten und Technologien für „Piazza virtuale“, aber auch für die anderen Projekte der Gruppe. Für „Piazza virtuale“ war die Steuerung von Programmelementen über Telefone mit dem damals für diesen Zweck neuen Mehrfrequenz-Verfahren sicher die wichtigste Innovation. Damit konnte man in den Sendungen „Interactive Orchestra“ und „Rap ´em Higher“ Samples auslösen und so zusammen Musik machen, beim „Atelier“ gemeinsam malen oder bei „Sarah und Daniel“ kurze Videosequenzen starten. Auch die Roboterkamera im Studio wurde per Telefontastatur gesteuert, und in den Sendungen „Record Stack“ und „tazetta“ konnte man mit dem Telefon ebenfalls auf das Geschehen auf dem Bildschirm Einfluss nehmen. Für die Sendung „Medialancscape“ entwickelte Salvatore Vanasco zusammen mit einem Programmierer ein Computerprogramm zur Verarbeitung natürlicher Sprache.

Das war nur möglich, weil der überwiegende Teil der Bild-, Video- und Klangelemente digital auf Festplatten gespeichert war – zu einer Zeit, in der beim deutschen Fernsehen noch fast ausschließlich mit analogen Signalen auf Magnetbändern, der MAZ, gearbeitet wurde. Bei „Piazza Virtuale„ war hingegen jede Sendung eine Multimedia-Applikation mit Programmelementen, deren Start auf den Computern der frühen 90er Jahre einige Zeit in Anspruch nahm. So erklärt sich auch die Ankündigung „Unsere Computer laden jetzt“ zu Beginn jedes neuen Programmblocks.

Schon das vorangegangenen Projekt „Hotel Pompino“ war technisch außerdentlich innovativ und wurde aus einem der ersten virtuellen Studios in Europa gesendet, das die Techniker von Van Gogh TV entwickelt hatten. Eine weitere Innovation war die Einbindung eines Chats in Sendungen wie „Coffeehouse“, die ebenfalls bei „Hotel Pompino„ und bei seinem Vorgängerprojekt „RePublic TV“ zum Einsatz gekommen war. Die Chats fanden in einer eigenen Mailbox statt, einer frühen Form der Online-Vernetzung, die auch dann weitergingen, wenn Van Gogh TV nicht auf Sendung war.

Jenseits der Ausstrahlung im Fernsehen auf 3Sat sendete Van Gogh TV jeden Abend drei Stunden über den Olympus-Satelliten. Dieses Programm konnte nur von Leuten gesehen werden, die intern die „Schüsselschwenker“ genannt wurden – Menschen, die mit ihren privaten Satellitenschüssel gezielt das Angebot von internationalen Fernsehsatelliten durchsuchten und dabei auf die nächtliche Ausstrahlung von „Piazza virtuale“ stießen. Diese Zuschauer gehörten zu den treuesten Anhängern des Programms. Sie riefen nicht nur regelmäßig an, sondern nahmen auch untereinander Kontakt auf und kamen nach Kassel, um bei der Produktion der Sendung dabei zu sein.

Auch die Übertragung von Sendungen der Piazzettas in anderen Städten mit dem Slow-Scan-TV-Verfahren und über ISDN waren Methoden, die im traditionellen Fernsehen nicht eingesetzt wurden, aber ohne die „Piazza virtuale“ nicht in der geplanten Form hätte stattfinden können. Damit die Zuschauer vor Ort sich an den Sendungen beteiligen konnten, standen neben dem Containerstudio von Van Gogh TV in Kassel die sogenannten „Access Points“: metallene Pulte, in die ein Monitor mit einer Kamera und einem Mikrofon eingebaut waren, mit denen man die laufende Sendung sehen und diese auch kommentieren konnte. Die Schwarz-Weiß-Bilder dieser Kameras wurden in die Sendungen eingeblendet.

Demonstration eines frühen Prototyps der Musikprogramme (Foto: Ali Altschaffel, altschaffel.com)

Musikproduktion mit der Telefontastatur (Foto: Ali Altschaffel, altschaffel.com)

Die Werkstatt im Studio in Kassel (Foto: Ali Altschaffel, altschaffel.com)

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